Leitsatz
Ist zwischen geschiedenen Eltern streitig, ob der Kinderfreibetrag vom einen auf den anderen zu übertragen ist, liegt kein Fall einer notwendigen Beiladung vor.
Sachverhalt
Zwischen den geschiedenen Eltern war streitig, wem 1990 kindbedingte Freibeträge für die gemeinsame Tochter zustanden. Das FA V berücksichtige beim Vater zunächst rechtskräftig den vollen Kinder- und Ausbildungs- und einen Haushaltsfreibetrag. Dementsprechend erkannte das FA M bei der Mutter keine kindbedingten Freibeträge an. Auf ihren Einspruch zog es den Vater gem. § 174 Abs. 5 AO 1977 zu und sprach der Mutter mit Abhilfebescheid den halben Kinder- und Ausbildungsfreibetrag sowie den Haushaltsfreibetrag zu. Deshalb änderte nun das FA V den Einkommensteurbescheid des Vaters, der nur noch den halben Kinder- und Ausbildungsfreibetrag und keinen Haushaltsfreibetrag mehr bekam. Mit seiner nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage trug er vor, nicht ordnungsgemäß zugezogen worden zu sein und auch die Einspruchsentscheidung über den Einspruch der Mutter nicht erhalten zu haben. In diesem Verfahren des Vaters hat das FG die Mutter gem. § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO beigeladen. Gegen den Beiladungsbeschluss haben sowohl der Vater, als auch die Mutter Beschwerde eingelegt, während das FA V beantragt hat, die Beschwerden zurückzuweisen. Der BFH hat den Beiladungsbeschluss aufgehoben.
Entscheidung
Zunächst hat der BFH ausgeführt, dass die Zuziehung des Vaters zum Einspruchsverfahren der Mutter keine Bindung bewirkt habe, weil der Mutter gegenüber lediglich ein Abhilfebescheid ergangen ist und dieser Abhilfebescheid zudem dem Vater nicht bekanntgegeben worden ist. Sodann hat er unter Aufgabe früherer anderslautender Rechtsprechung entschieden, dass die Voraussetzungen einer notwendingen Beiladung nicht vorliegen. Auch der III. Senat hat auf Anfrage erklärt, dass er an seiner bisherigen Auffassung nicht festhält.
Zweck der notwendigen Beiladung ist es, sicherzustellen, dass sich die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung auf alle erstreckt, in deren Rechte die Entscheidung unmittelbar eingreift. In die Rechte des anderen Elternteils wird aber nicht unmittelbar eingegriffen. Zwar besteht durch die Übertragung eines kindbedingten Freibetrages ein sachlogischer Zusammenhang. Damit wird aber nicht unmittelbar gestaltend in die Rechtssphäre des anderen Elternteils eingegriffen. Notfalls wird der Freibetrag eben zweimal gewährt. Die Tatsache, dass widerstreitende Interessen verfolgt werden, reicht für die Annahme einer notwendigen Beiladung nicht aus. Da es sich um einen typischen Fall widerstreitender Steuerfestsetzung nach § 174 Abs. 4, Abs. 5 AO 1977 handelt, kann die Finanzbehörde eine einheitliche Entscheidung sicherstellen, indem sie den anderen Elternteil hinzuzieht bzw. eine Beiladung beantragt, der das FG entsprechen muss. Für eine Anwendung des § 60 Abs. 3 FGO besteht also gar kein Bedürfnis.
Hinweis
Die Entscheidung, die zur Übertragung kindbedingter Freibeträge auf den anderen Elternteil ergangen ist, kann auf das Kindergeld nur bedingt übertragen werden. Der BFH hat nämlich bei der Kindergeldklage des Sozialleistungsträgers eine notwendige Beiladung des Kindergeldberechtigten gefordert (BFH, Urteil v. 12.1.2001, VI R 49/98, BStBl II 2001 S. 246), weil der Sozialleistungsträger ein fremdes Recht einklagt, das damit unmittelbar gestaltet bzw. bestätigt wird. Anders könnte es sich verhalten, wenn getrennt lebende Eltern darüber streiten, in wessen Haushalt das Kind aufgenommen ist und wem von ihnen beiden deshalb das Kindergeld zusteht (vgl. § 64 Abs. 2 EStG). Hier macht - wie beim Kinderfreibetrag - jeder Elternteil ein eigenes Recht geltend.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 04.07.2001, VI B 301/98