Leitsatz
1. Die strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG und die Selbstanzeige nach § 371 AO konnten wahlweise erfolgen; bei Rechtserheblichkeit der Wahl muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen der strafbefreienden Erklärung nach Form und Inhalt vollständig erfüllt sind.
2. Strafbefreiung nach dem StraBEG tritt nicht ein, wenn vor Eingang der strafbefreienden Erklärung ein Amtsträger der Finanzbehörde in erkennbarer, ernsthafter Absicht der angeordneten steuerlichen Prüfung erschienen ist; diese Sperrwirkung des § 7 StraBEG erfordert nicht auch den tatsächlichen Beginn von Ermittlungsmaßnahmen (entgegen BMF).
3. Die -- auch formlos mögliche -- Bestimmung des Prüfungsbeginns ist ein eigenständiger Verwaltungsakt; wird dieser nicht angefochten, kann die Sperrwirkung des § 7 StraBEG nicht wegen unangemessen kurzer Frist entfallen.
4. Die Rechtsfolgen einer Strafbefreiungsvorschrift treten nur ein, wenn deren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind; ein diesbezüglicher Tatbestandsirrtum ist unbeachtlich.
Normenkette
§ 1, § 2, § 6, § 7, § 8, § 13 StrafBEG, § 370, § 371, § 378 AO
Sachverhalt
Der Kläger erzielte als Rechtsanwalt und Notar Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Mit Prüfungsanordnung vom 12.01.2004 ordnete das FA bei ihm für die Jahre 2000 bis 2002 u.a. für die ESt eine Außenprüfung an und kündigte als Prüfungsbeginn den 20.01.2004 an. Mit formlosem Schreiben vom 18.01.2004 meldete der Kläger für sämtliche Jahre Beträge zur Nachversteuerung an.
Einen Tag nach Prüfungsbeginn leitete das FA am 21.01.2004 aufgrund der Selbstanzeige ein Steuerstrafverfahren ein und erließ ferner gem. § 4 Abs. 3 BpO (St) eine ergänzende Prüfungsanordnung für die Jahre 1998 und 1999, die die Prüferin dem Kläger am 22.01.2004 in der Kanzlei aushändigte. Ferner forderte sie diesen auf, die Ausgangsrechnungen für diese beiden Jahre am Montag, den 26.1.2004 vorzulegen.
Am 25.01.2004 ging beim FA per Fax eine auf amtlichem Vordruck und nur hilfsweise für den Fall einer nicht eingreifenden Strafbefreiung erstellte Erklärung nach dem StraBEG für die Jahre 1993 bis 1999 ein, wonach der Kläger für 1998 Honorareinnahmen von 16 000 DM und für 1999 von 17 000 DM bislang verschwiegen hatte.
Das FA leitete auch für die Jahre 1998 und 1999 am 26.01.2004 ein Strafverfahren ein. Den Prüfungsfeststellungen folgend erließ das FA für das Streitjahr 1998 einen geänderten ESt-Bescheid unter Einbeziehung der nacherklärten Honorareinnahmen.
Der BFH bestätigte das die Klage abweisende Urteil des FG (EFG 2005, 15).
Entscheidung
Für das Streitjahr 1998 greife das Verwertungsverbot nach § 13 StraBEG nicht ein; denn die für die Jahre 2000 bis 2002 abgegebene Erklärung habe weder nach Form und Inhalt noch hinsichtlich der gebotenen Selbstberechnung der ESt den Anforderungen nach dem StraBEG entsprochen. Es handle sich somit nur um eine Selbstanzeige nach § 371 AO.
Die weitere Erklärung vom 25.01.2004 habe weder strafbefreiend noch abgeltend wirken können, weil die Prüferin bereits für diese Jahre auf der Grundlage einer formell und materiell wirksamen und dem Kläger persönlich bekannt gegebenen Erweiterungs-Prüfungsanordnung mit der Prüfung dadurch begonnen habe, dass sie die Vorlage der Ausgangsrechnungen verlangt habe. Für das eine Strafbefreiung bereits ausschließende Erscheinen eines zuständigen Amtsträgers vor Eingang der strafbefreienden Erklärung genüge zudem -- entgegen der Ansicht des BMF -- bereits die ausdrücklich oder schlüssig erklärte ernsthafte Prüfungsabsicht durch den erschienenen Amtsträger.
Der Prüfungsbeginn sei, was rechtlich ausreiche, hier nach den nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 FGO), mündlich am 22.01.2004 festgelegt worden. Soweit sich der Kläger nunmehr gegen die Unangemessenheit der Zeitspanne zwischen Bekanntgabe der erweiternden Anordnung und dem Prüfungsbeginn wende, sei dies bereits deshalb unerheblich, weil die einen eigenständigen Verwaltungsakt darstellende und keiner Schriftform bedürfende, auch durch schlüssiges Handeln mögliche Anordnung des Prüfungsbeginns mangels Anfechtung bindend sei. Überdies sei die Angemessenheit der Zeitspanne im Streitfall nicht zu beanstanden, weil der Kläger keine zusätzlichen Vorbereitungsmaßnahmen mehr habe treffen müssen, die einen Aufschub des Prüfungsbeginns wegen des Erweiterungszeitraums bedurft hätte.
Schließlich wirke ein möglicher Irrtum über die tatbestandlichen Voraussetzungen der Strafbefreiung nicht strafbefreiend. Von einem derartigen Irrtum blieben nämlich sowohl der Unrechtstatbestand als auch die Schuld unberührt. Der Senat müsse das Revisionsverfahren ebenso wenig wegen der Vorlage des FG Köln vom 22.09.2005, 10 K 1880/05 (EFG 2005, 1878) nach Art. 100 Abs. 1 GG an das BVerfG wegen der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Kapitaleinkünfte im Vergleich zur niedrigeren steuerlichen Belastung nach dem StraBEG aussetzen; denn selbst im Fall einer Nichtigkeit oder Unvereinbarkeit des StraBEG mit dem Grundgesetz könnte der K...