Leitsatz
Aus einer nach dem SGB V einem Arzt für dessen Heilbehandlungsleistung (Aknebehandlung) geschuldeten Erstattung einer Krankenkasse ergibt sich nicht, dass der vom Arzt eingeschaltete Subunternehmer (Kosmetiker) über die erforderliche berufliche Befähigung zur Durchführung einer Heilbehandlungsmaßnahme i.S.v. § 4 Nr. 14 UStG verfügt.
Normenkette
§ 4 Nr. 14 UStG 1999, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin war selbstständige Kosmetikerin. In der Praxis eines Facharztes für Hautkrankheiten nahm sie auf dessen Anordnung an Patienten eine "manuelle Akne-Therapie" vor. Der Arzt rechnete seine Leistungen gegenüber seinen Privatpatienten ab. Beihilfestellen und Privatkassen erstatteten diesen die Kosten.
Die Klägerin machte – beim FG mit Erfolg – die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG geltend (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.05.2009, 6 K 2763/07, EFG 2010, 271).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte Erfolg. Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. § 4 KosmAusbV bezieht sich auf pflegende und dekorative Kosmetik und eignet sich daher nicht als Befähigungsnachweis. Die Bescheinigungen des Arztes und einer Chemisch-Pharmazeutischen Fabrik über eine entsprechende Zusatzausbildung in Dermatologie reichen als Befähigungsnachweis nicht. Auch wenn nach dem SGB V den Patienten des Arztes das Entgelt für die Heilbehandlung durch den Arzt von einer Krankenkasse erstattet werden, ergibt sich daraus nicht, dass der vom Arzt eingeschaltete Subunternehmer – hier die Klägerin – über die erforderliche berufliche Befähigung zur Durchführung einer Heilbehandlungsmaßnahme verfügt. Für einen unselbstständigen, lediglich in eine ärztliche Behandlung integrierten Teilaspekt kann dies anders zu beurteilen sein (siehe EuGH, Urteil vom 18.11.2010, C-156/09, BFH/NV 2011, 179, BFH/PR 2011, 100).
Hinweis
1. Die Befreiung nach § 4 Nr. 14 UStG setzt bei richtlinienkonformer Auslegung eine Heilbehandlung voraus, die von Personen erbracht werden, die die (hierfür) erforderlichen "beruflichen Befähigungsnachweise" und damit die erforderlichen "beruflichen Qualifikationen" besitzen, damit die Heilbehandlungen unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden eine ausreichende Qualität aufweisen.
2. Für die beruflichen Anforderungen gilt: Es ist Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die arztähnlichen Berufe zu bestimmen. Sie dürfen dabei nicht nur die für die Ausübung dieser Berufe erforderlichen Qualifikationen festlegen, sondern auch die spezifischen Heiltätigkeiten, die zu diesen Berufen gehören. Bei der Ausübung dieses Ermessens muss aber ein Ausschluss einzelner Berufe durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein, die sich auf die beruflichen Qualifikationen des Behandelnden und damit auf Erfordernisse der Qualität der erbrachten Leistungen beziehen.
3. Zu beachten ist stets der Grundsatz der steuerlichen Neutralität: gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen dürfen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind aber nur insoweit gleichartig, als sie für die Behandelten eine gleichwertige Qualität aufweisen. Schließt das nationale Recht einen Beruf von der Steuerfreiheit aus, liegt daher ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz nur vor, wenn die Personen, die diesen Beruf ausüben, für die Durchführung der Heilbehandlung nachweislich über berufliche Qualifikationen verfügen, die gewährleisten, dass diese Behandlungen qualitativ gleichwertig sind wie Behandlungen, die von Personen erbracht werden, die nach nationalem Recht steuerfrei sind.
4. Für die erforderliche berufliche Qualifikation kann schließlich die Tätigkeit in einem rechtlichen Rahmen, unter der Kontrolle eines Medizinischen Dienstes und gem. spezifisch festgelegter Bedingungen sprechen, deren Einhaltung durch die Eintragung in ein hierfür vorgesehenes Register bescheinigt wird.
5. Der Nachweis dieser Qualifikation kann sich aus berufsrechtlichen Regelungen oder aus einer Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen als Sozialversicherungsträger ergeben. Die Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen ist aber nur dann von Bedeutung, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat. Dies kann sich im Einzelfall aus den Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach dem Vierten Kapitel des SGB V und damit aus den §§ 69ff. SGB V ergeben. So ist z.B. die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V, der Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 111 SGB V oder die Zulassung nach § 124 SGB V als Indiz für das Vorliegen der erforderlichen Berufsqualifikation anzusehen.
6. Auch Subunternehmer eines Arzteskönnen diesem gegenüber eine steuerfreie Heilbehandlungsleistung erbringen. Denn die Steuerfreiheit hängt nicht von der Person des Leistungsempfängers ab; die personenbezogene Voraussetzung der Steuerfreiheit bezieht sich auf den Lei...