Leitsatz
Kursgewinne aus der Veräußerung von Reverse Floatern sind nicht gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG steuerpflichtig. Die Vorschrift ist im Weg teleologischer Reduktion bzw. verfassungskonformer Auslegung tatbestandlich dahin einzugrenzen, dass die Regelung auf solche Wertpapiere keine Anwendung findet, bei denen keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und bei denen eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
Die Kläger erwarben 1993 und 1996 Inhaber-Teilschuldverschreibungen einer Anleihe im Gesamtnennwert von nominal 30.000 DM bzw. 90.000 DM zu Kursen von 100,4 % und von 104 %. Die Laufzeit der Anleihe erstreckte sich vom Februar 1993 bis Februar 2003. Der Erstausgabekurs betrug 100 %. Die Rückzahlung sollte zum Nennwert erfolgen. Im Erstjahr betrug die Verzinsung 9 % per anno, ab Februar 1994 war sie variabel (13 % abzüglich des "Sechs-Monats-DM-LIBOR"). Der Kläger erwarb außerdem Inhaber-Teilschuldverschreibungen einer Anleihe einer Rentenbank für nominal 40.000 DM zum Kurs von 103,25 % mit einer Laufzeit bis März 2003. Die Rückzahlung hatte zum Nennwert zu erfolgen. Die Verzinsung betrug in den ersten beiden Jahren 7,5 % per anno. Ab März 1995 war eine variable Verzinsung vorgesehen (12,5 % abzüglich eines bestimmten LIBOR-Satzes).
Die Kläger veräußerten ihre Anleihen vor Endfälligkeit im Streitjahr 1997 und erzielten dabei Kursgewinne von insgesamt 17.440 DM, die das FA nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c bzw. d EStG steuerlich erfasste.
Der BFH hob das Klage abweisende Urteil des FG auf und gab der Klage statt.
Entscheidung
Die Kursgewinne der Kläger aus der Veräußerung der Reverse Floater seien keine steuerpflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und d EStG i.d.F. des StÄndG 2001. Der Wortlaut der an sich einschlägigen Besteuerungstatbestände sei insoweit nach Sinn und Zweck der Regelungen einschränkend auszulegen.
Hinweis
1. Floater wie auch Reverse Floater erfüllen zwar dem Wortlaut nach den Tatbestand in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und d EStG. Bei Floatern hängt die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis ab, nämlich der Höhe des Referenzzinssatzes im Zeitpunkt der jeweiligen Zinsanpassung. Es werden somit Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe gezahlt. Bei Reverse Floatern, die ebenfalls variabel verzinsliche Schuldverschreibungen darstellen, hängt die Zinsanpassung nicht unmittelbar an einem Referenzzinssatz, wie dem LIBOR oder FIBOR, sondern dieser wird von einem festen Nominalzins abgezogen.
2. Reverse Floater haben danach keine – auch keine vom Steuerpflichtigen nachweisbare – Emissionsrendite, sodass nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG an sich der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung der Papiere, sog. Marktrendite d.h. der Kursgewinn, steuerlich zu erfassen wäre.
3. Eine Besteuerung nach der Marktrendite widerspricht indes dem Normzweck, sodass eine teleologische Reduktion und verfassungskonforme Anpassung des Tatbestands geboten ist. Der Ansatz der Marktrendite durchbricht das System der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, das grundsätzlich bloße Wertveränderungen der Kapitalanlage nicht erfasst. Der Senat sieht die Systemabweichung entsprechend dem eindeutigen gesetzgeberischen Ziel (vgl. BT-Drucks. 12/5630, S. 59 und 12/6078, S. 116) nur in Fällen als sachlich gerechtfertigt an, in denen eine Abgrenzung zwischen Kapitalnutzung und -verwertung an Grenzen der Praktikabilität stößt und bei denen somit eine Abschöpfung des Kapitalnutzungsentgelts nicht mehr gewährleistet werden kann, weil dieses nach der typischen Ausgestaltung des Papiers nicht mehr im herkömmlichen Sinn von dessen Wertentwicklung abgrenzbar und der Höhe nach bestimmbar ist.
4. Bei "einfachen" Floatern gibt es weder einen verdeckten Zinsertrag noch sind sie durch eine Kombination von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals gekennzeichnet. Ertrags- und Vermögensebene sind voneinander abgrenzbar. Deshalb hatte das BMF (Schreiben vom 20.1.1994, FR 1994, 206) von Anfang an keine Bedenken, sie nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG steuerlich zu erfassen.
5. Der BFH sieht die Sachlage bei Reverse Floatern als vergleichbar an und zieht eine Parallele zu den festverzinslichen Papieren, z.B. Bundesanleihen, bei denen Kursveränderungen im Rahmen von Zwischenveräußerungen nicht nach § 20 EStG, sondern allenfalls nach § 23 EStG erfasst werden. Auch bei Reverse Floatern ist, anders als etwa bei Indexzertifikaten, bei denen der Kursgewinn nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht von einem Nutzungsentgelt für die Kapitalüberlassung abgegrenzt werden kann, die Ertrags- und Vermögensebene klar zu unterscheiden. Das Nutzungsentgelt kann konkret und ohne größeren Aufwand ermittelt werden.
6. Somit fehlt ei...