Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Die Tarifbegrenzung nach § 32c EStG 1994 war für gewerbesteuerbefreite Einkünfte (hier aus dem Betrieb eines Krankenhauses) nicht zu gewähren.
Normenkette
§ 32c EStG 1994 , § 3 Nr. 20 GewStG
Sachverhalt
Zwei Ärzte waren als atypisch stille Gesellschafter an einer GmbH beteiligt, die ein Privatkrankenhaus betrieb, das nach § 3 Nr. 20 GewStG von der GewSt befreit war. Die Gewinnanteile der Ärzte aus ihren stillen Beteiligungen für 1994 und 1995 wurden im Gewinnfeststellungsbescheid nicht als solche qualifiziert, die der Tarifermäßigung nach § 32c EStG unterliegen. Die dagegen erhobene Klage hatte weder vor dem FG noch vor dem BFH Erfolg.
Entscheidung
Die Entscheidung Die Tarifbegrenzung habe nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers nicht für gewerbesteuerbefreite Gewinne gelten sollen. Aus dem Gleichheitssatz ergebe sich kein Anspruch auf Anwendung des § 32c EStG. Eine erweiternde verfassungskonforme Auslegung sei unzulässig, weil dies dem gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufe. Der BFH brauche nicht das BVerfG anzurufen, denn für die Entscheidung des Rechtsstreits komme es auf die Verfassungswidrigkeit des § 32c EStG nicht an. Es sei ausgeschlossen, dass die Kläger in die Begünstigung nachträglich einbezogen würden.
Die Kläger seien auch nicht gegenüber einem öffentlichen Krankenhausbetreiber unzulässig benachteiligt. Zwar gelte dort ein KSt-Satz von 42 %. Es gebe jedoch keine rechtsformunabhängige Besteuerung. Die Besteuerung von Körperschaften und Personenunternehmen unterscheide sich in einer Vielzahl von Punkten. Allein aus Unterschieden bei einem Besteuerungselement könne nicht auf eine verfassungswidrige Wettbewerbsverzerrung geschlossen werden.
Es bedürfe keiner Entscheidung, ob die tarifliche Steuerbelastung von Körperschaften und Personenunternehmen überhaupt am Gleichheitssatz zu messen sei. Selbst wenn man diese Frage bejahe, könne dafür nicht auf den Spitzensteuersatz abgestellt werden. Vielmehr sei ein umfassender Belastungsvergleich erforderlich, zu dem der BFH im konkreten Fall nicht Stellung nehmen könne, weil diesbezügliches Vorbringen erstmals – und damit verspätet – in der Revisionsinstanz erfolgt sei.
Hinweis
1.§ 32c EStG war der erste Versuch, bei der ESt eine Vergünstigung zu schaffen, mit der die GewSt-Belastung der Personenunternehmen gemindert wird. Hierzu sah man sich genötigt, weil zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft die KSt-Sätze gesenkt werden mussten. Da eine entsprechende Senkung des ESt-Tarifs für alle Einkünfte aus fiskalischen Gründen nicht in Betracht kam, sollte Rechtsformneutralität durch Kappung des Spitzensteuersatzes für gewerbliche Einkünfte erreicht werden. Dieser Weg ist vom BFH bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 (Beschluss vom 24.2.1999, X R 171/96, BStBl II 1999, 450) wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz für nicht gangbar gehalten worden. Er hat deshalb das BVerfG angerufen, dessen Entscheidung noch aussteht.
2. Die von der Tarifkappung begünstigten Gewerbetreibenden werden sich nicht gegen die Tarifkappung wenden wollen. Sie müssen aber abwarten, ob sie den Steuervorteil tatsächlich behalten dürfen. Anders verhält es sich naturgemäß bei denjenigen, die nicht begünstigte Einkünfte beziehen. Sie möchten auch an der Tarifkappung teilnehmen.
Dies hat der BFH aber bereits für Freiberufler abgelehnt, weil im Fall der Verfassungswidrigkeit des § 32c EStG nicht anzunehmen sei, dass der Gesetzgeber dann Bezieher anderer Einkünfte ebenfalls begünstigen würde. Auf derselben Linie liegt das hiesige Urteil. Bezieher von gewerbesteuerbefreiten gewerblichen Einkünften fallen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht unter die Tarifkappung und werden voraussichtlich auch im Fall der Verfassungswidrigkeit nicht nachträglich begünstigt werden. Klagen auf Ausdehnung der Tarifbegünstigung dürften danach insgesamt kaum Erfolgsaussichten haben.
3. Heute ist § 32c EStG bereits wieder Geschichte. Er ist durch § 35 EStG abgelöst worden, der eine pauschale Anrechnung der GewSt auf die ESt vorsieht. Die Neuregelung gilt erstmals für den VZ 2001. Eine Ausnahme wird für Unternehmer gemacht, die in diesem Jahr gewerbliche Einkünfte nur aus einem abweichenden Wirtschaftsjahr 2000/2001 beziehen; für sie gilt noch § 32c EStG.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.3.2001, IV R 24/00