Leitsatz
1. Ein "Glücksspiel mit Geldeinsatz" i.S. d. Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL erfordert die Einräumung einer Gewinnchance an den Leistungsempfänger (Spieler) und im Gegenzug die Hinnahme des Risikos durch den Leistenden (Geräteaufsteller), die Gewinne auszahlen zu müssen.
2. Die Gewinnchance muss in der Chance auf einen Geldgewinn bestehen.
3. Spiele, die dem Spieler lediglich die Möglichkeit einräumen, seinen Geldeinsatz wiederzuerlangen (sog. "Fun-Games"), erfüllen diese Voraussetzungen nicht
Normenkette
§ 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1999, Art. 13 Teil B Buchst. f 6. EG-RL (jetzt: Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin beanspruchte erfolglos unter Berufung auf das Gemeinschaftsrecht die Steuerbefreiung für ihre Umsätze aus ihren in Spielhallen aufgestellten Unterhaltungsgeräten: Mit diesen Geräten konnten gegen Entgelt sog. "Tokenspiele" gespielt werden. Das Tokenspiel ermöglichte dem Spieler, entweder seinen Einsatz zurückzugewinnen oder eine auf seiner Chipkarte gespeicherte Weiterspielmöglichkeit zu erhalten (sog. Fun-Games). Der Spieler hatte aber keine Möglichkeit, einen Geldgewinn zu erzielen, der seinen Einsatz übersteigt.
Entscheidung
Der BFH bestätigte FA und FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 07.12.2005, 5 K 182/04, Haufe-Index 1485671, EFG 2006, 447): Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Als unerheblich beurteilte der BFH den Umstand, dass im Streitfall die Möglichkeit bestand, (zusätzlich) eine beliebige Menge an Token zu gewinnen und diese an Dritte verkauft werden konnten. Freispiele sind kein Geldgewinn. Der BFH sah angesichts der Entscheidungen des EuGH keinen Anlass zu einer weiteren Vorlage.
Hinweis
Ob "Fun-Games" (Tokenspiele) "Glücksspiele" i.S. v. Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL sind, hat vor und nach der Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit Wirkung zum 06.05.2006 Bedeutung, denn sie fallen nicht unter das Rennwett- und Lotteriegesetz. Sie sind – wie der BFH jetzt entschied – auch keine Glücksspiele i.S.d. Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL, sodass sich die Frage, ob die Änderung gemeinschaftsrechtskonform ist, soweit sie "sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" i.S.d. Richtlinienbestimmung von der Steuerbefreiung ausnimmt (vgl. BFH, Beschluss vom 09.08.2007, V B 96/07, BFH/NV 2007, 2211), nicht stellte.
Dass ein "Glücksspiel" i.S.d. Gemeinschaftsrechts durch die Chance auf einen Geldgewinn charakterisiert wird, hatte der EuGH bereits zu dem ebenfalls in Art. 13 Teil B Buchst. f erfassten Wettumsatz entschieden (EuGH, Urteil vom 13.07.2006, Rs. C-89/05, United Utilities plc, BFH/NV Beilage 2006, 462). Diese Rechtsprechung des EuGH ist auf den in derselben Vorschrift enthaltenen Begriff der "Glücksspiele mit Geldeinsatz" übertragbar, denn die Einräumung einer Gewinnchance an den Leistungsempfänger ist allen "Glücksspielen mit Geldeinsatz" eigen.
Diese "Gewinnchance" muss in einer Chance auf einen Geldgewinn – wenn auch nur in relativ geringer Höhe – bestehen. Das bestätigen die Urteile des EuGH vom 21.09.1999, Rs. C-124/97, Läärä (Slg. 1999, I-6067) und vom 26.10.2006, Rs. C-65/05, Kommission/Hellenische Republik (Slg. 2006, I-10341 Rd.Nr. 36), in denen der EuGH die "Chance eines Geldgewinns" als ein Wesensmerkmal des Glücksspiels betont.
Die Rechtsprechung des BVerwG, wonach Tokenspiele mit Tokenmanager nach § 33c Abs. 1 GewO erlaubnispflichtig sind, weil sie "die Möglichkeit eines Gewinns" in Form des "Rückgewinns des Einsatzes" ermöglichen, ist schon deshalb ohne Bedeutung für die Umsatzsteuer, weil die gemeinschaftsrechtliche Steuerbefreiung nicht davon abhängen kann, wie der Umsatz nach nationalem Recht (hier: § 33c GewO) qualifiziert wird. Im Übrigen hat auch das BVerwG einen "Gleichklang" mit der Umsatzsteuer ausdrücklich verneint.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.05.2008, V R 7/06