Leitsatz
Ein Leasingvertrag begründet keine Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG, wenn dem Leasingnehmer lediglich das Recht eingeräumt wird, zum Ablauf des Leasingvertrags den Abschluss eines Kaufvertrags über das Leasingobjekt mit dem Leasinggeber (zu einem feststehenden Kaufpreis) herbeizuführen.
Normenkette
§ 1 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Sachverhalt
Der Leasinggeber verpflichtete sich gegenüber der Klägerin, sein kurz zuvor erworbenes Grundstück nach den Wünschen der Klägerin zu bebauen und es ihr auf die Dauer von 15 Jahren unentziehbar zur Nutzung zu überlassen. Die Leasingraten waren so berechnet, dass während der Vertragsdauer 65% der Gesamtinvestitionskosten getilgt sein werden. Bei Vertragsende war die Klägerin berechtigt, das Leasingobjekt zum Preis von 35 % der Gesamtinvestitionskosten anzukaufen. Dieses Recht wurde durch Vormerkung gesichert.
Das FA war der Ansicht, durch den Leasingvertrag habe die Klägerin die Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG an dem Grundstück erlangt. Der Kläger und das FG sahen dies anders.
Entscheidung
Auch der BFH verneinte eine Verwertungsbefugnis der Klägerin, da sie die Übereignungsverpflichtung erst bei Ablauf des Leasingvertrags herbeiführen kann. Während der Dauer des Leasingvertrags hat die Klägerin nur das Recht, das Leasingobjekt zu nutzen, aber noch nicht die Möglichkeit, etwa durch eine Veräußerung auf dessen Substanz zuzugreifen. Die Einwirkungsmöglichkeiten auf das Grundstück, die die Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG ausmachen, müssen aber gleichzeitig vorliegen.
Hinweis
Wird dem Leasingnehmer bereits mit dem Leasingvertrag ein aufschiebend bedingter oder befristeter Anspruch auf Übereignung des geleasten Grundstücks eingeräumt, ist bereits der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt und – bei einem aufschiebend bedingten Anspruch – lediglich die Entstehung der Steuer hinausgeschoben.
Wird dem Leasingnehmer dagegen nur das Recht eingeräumt, das Grundstück zu erwerben, bedarf es noch einer Rechtsausübungshandlung des Leasingnehmers. In derartigen Fällen kann der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bis zur Ausübung dieses Rechts noch nicht erfüllt sein, weil noch kein Übereignungsanspruch begründet worden ist (BFH, Urteil vom 5.2.2003, II R 15/01, BFH/NV 2003, 818 unter II. a aa). Allerdings stellt sich dann die Frage, ob der Leasingnehmer nicht bereits die Verwertungsbefugnis an dem Leasinggrundstück erlangt hat und damit der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt ist. Eine derartige Verwertungsbefugnis hat der BFH bislang stets dann angenommen, wenn dem Leasingnehmer das Recht eingeräumt ist, jederzeit das Grundstück zu erwerben. Denn damit ist er in der Lage, das Grundstück an sich zu ziehen und etwa durch Weiterveräußerung auf dessen Substanz zuzugreifen.
Dieser Rechtsfolge eines jederzeitigen Ankaufsrechts versucht die Praxis dadurch auszuweichen, dass dem Leasingnehmer das Ankaufsrecht erst zum Ende einer mehr oder weniger langen Leasingzeit eingeräumt wird. Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BFH diesem Versuch zum Erfolg verholfen. Ohne eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf die Substanz des Leasinggrundstücks steht dem Leasingnehmer keine Verwertungsbefugnis zu. Die bloße – wenn auch unentziehbare – Nutzungsmöglichkeit reicht nicht.
Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Grunderwerbsteuerbelastung. Da der Leasinggeber einen Teil seiner Investitionskosten bereits während der Leasingzeit über die Leasingraten wieder hereinbekommt, fällt der Preis, zu dem der Leasingnehmer das Leasingobjekt am Ende der Leasingzeit erwerben kann, entsprechend niedrig aus. Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 GrEStG bildet dieser Kaufpreis die Bemessungsgrundlage der Steuer. Allerdings können auch Teile der Leasingraten zur Gegenleistung zu ziehen sein, und zwar insoweit, als die Raten den Rahmen der Angemessenheit und des Verkehrsüblichen überstiegen haben und daher als Vorauszahlungen auf den späteren Kaufpreis anzusehen sind. Ein künstliches Niedrighalten des Kaufpreises sollte deshalb nicht übertrieben werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.3.2006, II R 28/04