Leitsatz
1. Auf eine zurückgeforderte Ausfuhrerstattung sind keine Zinsen zu berechnen, wenn die Erstattung durch einen Irrtum der zuständigen Behörde zu Unrecht gewährt wurde, ohne dass es darauf ankommt, ob der Begünstigte selbst die Erstattungsvorschriften eingehalten hat oder den Irrtum hätte erkennen können.
2. Ein Irrtum der zuständigen Behörde liegt vor, wenn Ausfuhrerstattung gezahlt wird, obwohl eine vorgeschriebene Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist.
Normenkette
Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87, Art. 2 VO Nr. 32/82, Art. 52 Abs. 1, Art. 52 Abs. 4 VO Nr. 800/1999
Sachverhalt
Ein Exporteur führte 1995 unter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattungen (Sondererstattung für Rindfleisch von männlichen ausgewachsenen Rindern) Rindfleisch aus. Er erhielt die Ausfuhrerstattung. Erst später wurde festgestellt, dass für die Ausfuhren nicht die erforderlichen Bescheinigungen über den Nachweis für Rindfleisch von männlichen ausgewachsenen Rindern ausgestellt worden waren. Das HZA forderte daraufhin die Erstattung bestandskräftig zurück. Außerdem erließ es den angefochtenen Zinsbescheid, in dem es Zinsen auf die Rückforderungsbeträge festsetze.
Entscheidung
Der BFH hat den Zinsbescheid aufgehoben.
Dass die Sondererstattung gewährt wurde, beruhte auf einem behördlichen "aktiven Irrtum". Denn nach Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 32/82 ist die Gewährung der Sondererstattung von der Vorlage des Nachweises abhängig, dass die Erzeugnisse von männlichen ausgewachsenen Rindern stammen. Die darüber von der BLE einzuholende Bescheinigung war damals allerdings (noch) nicht der Ausfuhrerstattungsstelle vorzulegen, sondern der Ausfuhrzollstelle, bei der sie verblieb. Gleichwohl liegt ein Irrtum "der Behörde" vor. Denn die Ausfuhrzollstelle hätte ohne Vorlage der Bescheinigung der BLE die Ausfuhranmeldung nicht annehmen dürfen. Dass sie dies gleichwohl tat, stellt einen "Irrtum der zuständigen Behörde" i.S.d. Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 dar. Denn als solcher ist der Irrtum jeder in das Ausfuhrverfahren eingeschalteten Behörde anzusehen; die Arbeitsteilung innerhalb der Zollverwaltung darf also nicht etwa zulasten des Ausführers gehen.
Hinweis
1. Sind Ausfuhrerstattungen zu Unrecht gewährt worden, ist der zu Unrecht erhaltene Betrag zuzüglich Zinsen für die Zeit zwischen der Gewährung der Erstattung und ihrer Rückzahlung zurückzuzahlen. Keine Zinsen sind jedoch zu zahlen, wenn die unrechtmäßige Zahlung der Erstattung auf einem Irrtum der Behörde beruhte; früher hieß es in einer im Streitfall noch anzuwendenden Fassung der (früheren) Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (jetzt: Verordnung [EG] Nr. 800/1999) – abweichend von anderen Sprachfassungen – statt Irrtum "Verschulden" der Behörde.
Welche Folgerungen aus der – offenbar auf einem Übersetzungsfehler beruhenden – Abweichung der deutschen Fassung zu ziehen sind, musste der BFH in der Besprechungsentscheidung nicht näher erörtern. Das hier schlummernde Problem, insbesondere wenn sich der Fehler einmal zulasten des Beteiligten auswirkt, dürfte durch die EuGH-Rechtsprechung, dass alle Sprachfassungen gleiches Gewicht haben, kaum gelöst sein; der einzelne Beteiligte muss sich m.E. auf den Rechtstext seiner Sprache jedenfalls dann verlassen dürfen, wenn dieser nicht aus sich heraus (Sinn-)Zweifel aufwirft. Im Übrigen: Die eifrigen Sprachvergleicher sind meistens nur des Englischen und Französischen mächtig; es gibt aber noch zahlreiche andere, gleichberechtigte Amtssprachen!
2. Die Mitgliedstaaten können allerdings einen nach Maßgabe des unrechtmäßig erzielten Vorteils festzulegenden Zins-Betrag erheben, wovon Deutschland aber keinen Gebrauch gemacht hat.
3. Im Streitfall beruhte die Erstattungsgewährung zweifellos auf einem Irrtum der Zollbehörde; aber der Ausführer hätte diesen Irrtum erkennen können. Muss er dann Zinsen zahlen?
4. In der Tat gibt es im Gemeinschaftsrecht eine Regelung dieser Art, die darauf abstellt, ob der Beteiligte den Irrtum der Behörde erkennen konnte. So ist es in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK. Aber ein allgemeiner verbindlicher Rechtsgedanke, dass Irrtümer der Behörde nur dem Beteiligten günstige Folgen haben, wenn dieser sie nicht erkennen kann, lässt sich daraus schwerlich ableiten.
5. Der Regelungsgedanke, der hinter eingangs genannter Zinsregelung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 steht, ist freilich schwer zu erfassen. Die Vorschrift soll offenbar in erster Linie eine Billigkeitsregelung sein, wobei nicht ganz leicht nachzuvollziehen ist, welche Billigkeitsvorstellung der Gemeinschaftsgesetzgeber dabei hatte. Er sieht es offenbar als unbillig an, dass der Ausführer, dem durch ein irrtümliches Behördenhandeln Ausfuhrerstattung zu Unrecht gewährt wurde, nicht nur den zu Unrecht erhaltenen Betrag, sondern auch noch Zinsen auf den Rückzahlungsbetrag zahlen muss. Es wird also nicht nur berechtigtes Vertrauen des gutgläubigen Ausführers geschützt, sondern auch das Interesse desjenigen, der sich – wie im Entscheidungsfall – selbst falsch verhalten hat (Nichtvor...