Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsen auf zurückgeforderte Ausfuhrerstattung
Leitsatz (amtlich)
1. Auf eine zurückgeforderte Ausfuhrerstattung sind keine Zinsen zu berechnen, wenn die Erstattung durch einen Irrtum der zuständigen Behörde zu Unrecht gewährt wurde, ohne dass es darauf ankommt, ob der Begünstigte selbst die Erstattungsvorschriften eingehalten hat oder den Irrtum hätte erkennen können.
2. Ein Irrtum der zuständigen Behörde liegt vor, wenn Ausfuhrerstattung gezahlt wird, obwohl eine vorgeschriebene Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist.
Normenkette
EWGV 3665/87 Art. 11 Abs. 3; EWGV 32/82 Art. 2; EWGV 800/1999 Art. 52 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte im Zeitraum September bis Dezember 1995 unter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattungen (Sondererstattung für Rindfleisch von männlichen ausgewachsenen Rindern) Rindfleisch aus. Im Rahmen einer Marktordnungsprüfung wurde festgestellt, dass für die Ausfuhren nicht die erforderlichen Bescheinigungen über den Nachweis für Rindfleisch von männlichen ausgewachsenen Rindern ausgestellt worden waren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) forderte daraufhin die gewährten Erstattungen mit Berichtigungsbescheiden vom März 1999, die bestandskräftig wurden, zurück.
Mit Zins- und Zinsanforderungsbescheiden vom August 2002 setzte das HZA Zinsen auf die Rückforderungsbeträge fest. Die hiergegen erhobenen Einsprüche und die Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Zinsfestsetzungen nach Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 351/1) rechtmäßig seien. Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87, wonach keine Zinsen anfielen, wenn die zu Unrecht getätigte Zahlung durch einen Irrtum der zuständigen Behörde erfolgt sei, stehe im Streitfall nicht entgegen. Diese Vorschrift solle das Vertrauen des Ausführers in die Entscheidung der zuständigen Behörde über die Gewährung von Ausfuhrerstattung schützen. Das Vertrauen sei allerdings nur schutzwürdig, wenn sich der Ausführer selbst rechtstreu verhalten habe. Bestehe der Irrtum der Behörde über das Vorliegen der Erstattungsvoraussetzungen darin, dass der Ausführer bestimmte Erstattungsvoraussetzungen, für deren Erfüllung er allein verantwortlich sei, nicht erfüllt habe, könne er sich nicht auf Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 berufen. Diese Auslegung der Vorschrift sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, der auch in anderen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zum Ausdruck komme, wie z.B. in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex (ZK), wonach Vertrauensschutz nur gewährt werde, wenn der Irrtum der Behörde vom Abgabenschuldner nicht habe erkannt werden können. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin aber unschwer erkennen können, dass die Gewährung einer Sondererstattung für Rindfleisch nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 32/82 (VO Nr. 32/82) der Kommission vom 7. Januar 1982 zur Festlegung der Bedingungen für die Gewährung von Sondererstattungen bei der Ausfuhr von Rindfleisch (ABlEG Nr. L 4/11) von der Vorlage des Nachweises, dass die Erzeugnisse von männlichen ausgewachsenen Rindern stammten, abhängig gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Die Klägerin rügt die Verletzung von Bundesrecht und macht geltend, dass das FG seiner Entscheidung eine falsche Fassung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 zugrunde gelegt habe. Das Tatbestandsmerkmal "Irrtum der zuständigen Behörde" sei erst mit einer im Streitfall noch nicht anwendbaren Verordnung in die Vorschrift aufgenommen worden, während es zuvor "Verschulden der zuständigen Behörde" geheißen habe. Im Streitfall beruhten die zu Unrecht gewährten Erstattungen auf einem Verschulden des HZA, da es seine Prüfungspflicht verletzt habe. Die Sondererstattung sei von der Vorlage des Nachweises in Form einer Bescheinigung abhängig gewesen, dass die Ausfuhrerzeugnisse von männlichen ausgewachsenen Rindern stammten. Das HZA hätte somit prüfen müssen, ob die Bescheinigung vorgelegt worden sei. Auf ein etwaiges Mitverschulden des Ausführers komme es nicht an.
Aber auch das vom FG zugrunde gelegte Tatbestandsmerkmal des "Irrtums der zuständigen Behörde" sei gegeben. Das FG habe dieses Tatbestandsmerkmal in unzulässiger Weise erweitert, indem es zur Auslegung Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK und die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung herangezogen habe. Der Wortlaut dieser Vorschriften stehe einer solchen Erweiterung durch Auslegung entgegen. Nach Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 sei allein der Irrtum der zuständigen Behörde maßgebend und nicht die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes. Das HZA habe im Streitfall einen Irrtum begangen. Es habe im Erstattungsverfahren mitgeteilt, dass für bestimmte Anträge u.a. die Frachtbriefe noch nicht vorgelegt worden seien, habe also die Anträge auf Sondererstattungen geprüft, dabei jedoch das Fehlen der erforderlichen Nachweisbescheinigungen unberücksichtigt gelassen. Im Übrigen sei der angebliche Zinsanspruch des HZA jedenfalls bezüglich der bis zum 31. Dezember 1997 aufgelaufenen Zinsen verjährt.
Das HZA schließt sich der Rechtsauffassung des FG an und macht geltend, dass --unabhängig, ob vom Tatbestandsmerkmal des "Verschuldens" oder des "Irrtums" auszugehen sei-- der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht gegen eine klare gemeinschaftsrechtliche Bestimmung angeführt werden könne und dass daher kein berechtigtes Vertrauen auf eine gemeinschaftsrechtswidrige Behandlung begründet werden könne. Der Zinsanspruch sei nicht verjährt, weil für den Verjährungsbeginn auf die Entstehung des Zinsanspruchs, d.h. die Bekanntgabe der Berichtigungsbescheide abzustellen sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Zins- und Zinsanforderungsbescheide vom August 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom November 2002 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Sind Ausfuhrerstattungen --wie im Streitfall-- zu Unrecht gewährt worden, hat der Begünstigte nach Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 der im Streitfall anzuwendenden VO Nr. 3665/87 i.d.F. der Änderungs-Verordnung (EG) Nr. 2945/94 (VO Nr. 2945/94) der Kommission vom 2. Dezember 1994 (ABlEG Nr. L 310/57), diese i.d.F. der Berichtigung gemäß ABlEG 1995 Nr. L 132/22, den zu Unrecht erhaltenen Betrag zuzüglich Zinsen für die Zeit zwischen der Gewährung der Erstattung und ihrer Rückzahlung zurückzuzahlen. Nach Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 fallen allerdings keine Zinsen an, wenn die unrechtmäßige Zahlung durch Verschulden der zuständigen Behörde erfolgt ist; die Mitgliedstaaten können allenfalls einen nach Maßgabe des unrechtmäßig erzielten Vorteils festzulegenden Betrag erheben. Durch die Änderungs-Verordnung (EG) Nr. 495/97 (VO Nr. 495/97) der Kommission vom 18. März 1997 (ABlEG Nr. L 77/12) ist (u.a.) Art. 11 VO Nr. 3665/87 ein weiteres Mal neu gefasst worden. In Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 heißt es nunmehr, dass keine Zinsen anfallen, wenn die zu Unrecht getätigte Zahlung durch einen Irrtum der zuständigen Behörde erfolgt ist. Art. 11 VO Nr. 3665/87 in dieser Fassung gilt allerdings nach Art. 3 VO Nr. 495/97 nur für ab dem 26. März 1997 getätigte Ausfuhren und findet somit im Streitfall keine Anwendung.
Anders als die Revision meint, kann gleichwohl nicht angenommen werden, dass das FG seiner Entscheidung eine falsche Gesetzesfassung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 zugrunde gelegt hat, indem es das Tatbestandsmerkmal "Irrtum der zuständigen Behörde" prüfte. In den englischen und französischen Sprachfassungen sowohl der VO Nr. 2945/94 als auch der VO Nr. 495/97 wird nämlich in Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 durchgehend nur der Begriff "error" bzw. "erreur" gebraucht, weshalb hinsichtlich des in der deutschen Sprachfassung der VO Nr. 2945/94 verwendeten Begriffs des "Verschuldens" (durch die VO Nr. 495/97 geändert in "Irrtum") der zuständigen Behörde angenommen werden kann, dass es sich lediglich um eine ungenaue Übersetzung handelt. Es würde im Übrigen auch keinen Sinn machen, den Ausführer nur dann von Zinszahlungen auf den zu Unrecht erhaltenen Erstattungsbetrag freizustellen, wenn die unrechtmäßige Erstattungsgewährung auf eine schuldhafte, also vorwerfbare, falsche Rechtsanwendung durch die Behörde zurückzuführen ist. Vielmehr ist von dem Willen des Verordnungsgebers auszugehen, jegliche für die unrechtmäßige Erstattungsgewährung kausale falsche Rechtsanwendung durch die Behörde ausreichen zu lassen (vgl. zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts bei voneinander abweichenden Sprachfassungen: Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 7. Dezember 1995 Rs. C-449/93, EuGHE 1995, I-4291; vom 24. Oktober 1996 Rs. C-72/95, EuGHE 1996, I-5403).
2. Der Fortfall des Zinsanspruchs gemäß Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 hängt somit davon ab, dass die zu Unrecht getätigte und vom Ausführer nunmehr zurückzugewährende Zahlung durch einen Irrtum der zuständigen Behörde erfolgt ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.
a) Der Senat folgt nicht der Ansicht des FG, dass das durch Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 geschützte Vertrauen des Ausführers in die Entscheidung der zuständigen Behörde über die Gewährung der Ausfuhrerstattung nur schutzwürdig sei, wenn sich der Ausführer selbst rechtstreu verhalten habe, und er sich somit nicht auf Vertrauensschutz nach dieser Vorschrift berufen könne, wenn der Irrtum der Behörde über das Vorliegen der Erstattungsvoraussetzungen darin bestehe, dass der Ausführer bestimmte Erstattungsvoraussetzungen, für deren Erfüllung er allein verantwortlich sei, nicht erfüllt habe.
Diese Auslegung der Vorschrift sowie die anschließend vom FG vorgenommene Prüfung, ob die Klägerin hätte erkennen können, dass die beantragte Ausfuhrerstattung von der Vorlage einer Nachweisbescheinigung gemäß der VO Nr. 32/82 abhängig war, stützt das FG auf einen allgemeinen Rechtsgedanken, der --so das FG-- in verschiedenen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zum Ausdruck komme, von denen das FG indes nur Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK benennt. Die für den Vertrauensschutz im Zollschuldrecht neben dem "Irrtum der Zollbehörden" bestehenden Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK auch bei Anwendung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 heranzuziehen, widerspricht allerdings zum einen dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift, so dass ihre ergänzende Auslegung allenfalls in Betracht käme, wenn man insoweit von einer in ihr vorhandenen, vom Verordnungsgeber nicht beabsichtigten Regelungslücke ausgehen wollte. Gegen diese Annahme spricht indes, dass die Vertrauensschutzvorschrift des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK bereits existierte, als Art. 11 VO Nr. 3665/87 durch die VO Nr. 2945/94 neu gefasst wurde, es daher nicht erklärlich wäre, weshalb es unterblieb, die Tatbestandsmerkmale jener Vorschrift in die Regelung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 zu übernehmen, wenn die Schaffung einer Vertrauensschutzvorschrift beabsichtigt gewesen sein sollte.
Zum anderen ist davon auszugehen, dass Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 in erster Linie eine Billigkeitsvorschrift ist. Der Verordnungsgeber sieht es offenbar als unbillig an, dass der Ausführer, dem durch ein irrtümliches Behördenhandeln Ausfuhrerstattung zu Unrecht gewährt wurde, nicht nur --wie es Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87 vorschreibt-- den zu Unrecht erhaltenen Betrag, sondern auch noch Zinsen auf den Rückzahlungsbetrag zahlen muss, die im Einzelfall zu einer beträchtlichen Höhe auflaufen können, so dass dem Ausführer durch den Irrtum der Behörde auch noch ein zusätzlicher Schaden entstünde. Wäre es nämlich dem Verordnungsgeber --wie es offenbar das FG annimmt-- darum gegangen, das berechtigte Vertrauen eines gutgläubigen Ausführers in die Rechtmäßigkeit der Erstattungsgewährung durch die in Wahrheit irrtümlich handelnde Behörde zu schützen, so würde sich die Frage stellen, weshalb der gutgläubige Ausführer unter solchen Umständen den zu Unrecht erhaltenen Betrag überhaupt zurückzahlen muss, anstatt lediglich --wie es Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 vorsieht-- von der Verpflichtung, Zinsen auf den Rückforderungsbetrag zu zahlen, befreit zu sein. Durch die ab 1. Juli 1999 geltende Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (VO Nr. 800/1999) der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABlEG Nr. L 102/11) wird dies verdeutlicht: Dort hat nämlich der Verordnungsgeber in Art. 52 Abs. 4 Buchst. a VO Nr. 800/1999 eine dem Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK entsprechende Vertrauensschutzvorschrift aufgenommen, welche für den Fall, dass Ausfuhrerstattung aufgrund eines für den Ausführer nicht erkennbaren Irrtums der Behörde gewährt wurde, die Rückzahlungspflicht des Ausführers gänzlich entfallen lässt, während hinsichtlich der auf Rückforderungsbeträge zu zahlenden Zinsen mit der Vorschrift des Art. 52 Abs. 1 Unterabs. 4 VO Nr. 800/1999 die vorherige Regelung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 nahezu wortgleich übernommen wurde. Im Fall einer Erstattungsgewährung aufgrund eines Irrtums der Behörde, den der Ausführer nicht erkennen konnte, hätte daher Art. 52 Abs. 1 Unterabs. 4 VO Nr. 800/1999 bei der Auslegung, wie sie das FG für den fast wortgleichen Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 für richtig hält, keinen Anwendungsbereich, weil unter solchen Voraussetzungen das Vertrauen schutzwürdig wäre, der zu Unrecht gewährte Erstattungsbetrag nicht zurückzuzahlen wäre und sich die Frage nach Zinsen, die auf den Rückforderungsbetrag zu zahlen sind, somit gar nicht stellte.
Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 ist nach alledem seinem Wortlaut gemäß, der nur auf den "Irrtum der zuständigen Behörde", nicht aber auch auf die Erkennbarkeit des Irrtums abstellt, anzuwenden.
b) Es spricht allerdings nichts dagegen, den in Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 verwendeten Begriff des "Irrtums" der Behörde --wie es auch das FG getan hat-- in der gleichen Weise zu verstehen, wie es der ständigen Rechtsprechung zum Begriff des "Irrtums" der Zollbehörden in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK entspricht. Danach muss es sich um einen Irrtum handeln, der auf ein Handeln der zuständigen Behörde, nicht aber auf unrichtige Erklärungen des Abgabenschuldners zurückzuführen ist --sog. "aktiver Irrtum"-- (vgl. EuGH-Urteil vom 27. Juni 1991 Rs. C-348/89, EuGHE 1991, I-3277; Senatsurteil vom 23. März 1999 VII R 16/98, BFHE 188, 164). Ein solcher liegt vor, wenn die Behörde einem Antragsteller eine Vergünstigung gewährt, obwohl die formellen Voraussetzungen hierfür (hier: Vorlage der Bescheinigung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung --BLE--), welche die Behörde zu prüfen hat, nicht vorliegen.
Im Streitfall ist auch diese Voraussetzung gegeben. Dass der Klägerin für die fraglichen Ausfuhrsendungen Sondererstattungen gewährt wurden, beruhte auf einem behördlichen "aktiven Irrtum". Denn nach Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 32/82 ist die Gewährung der Sondererstattung von der Vorlage des Nachweises abhängig, dass die Erzeugnisse von männlichen ausgewachsenen Rindern stammen. Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 32/82 wird dieser Nachweis durch eine Bescheinigung gemäß dem Muster im Anhang der VO Nr. 32/82 erbracht. Zuständig für die Erteilung einer solchen Bescheinigung ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 der Rindfleisch-Sondererstattungs-Verordnung vom 21. Februar 1994 (BGBl I 1994, 318) die BLE. Im Streitfall hatte die Klägerin für ihre Ausfuhrsendungen solche Bescheinigungen der BLE nicht vorgelegt. Ausfuhrerstattungen hätten ihr daher nicht gewährt werden dürfen.
Es handelt sich vorliegend auch um einen Irrtum der zuständigen Behörde, obwohl nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 32/82 die Bescheinigung der BLE "den Zollbehörden zwecks Erfüllung der Ausfuhrförmlichkeiten", also nur der Ausfuhrzollstelle, vorzulegen ist. Der nachfolgende Halbsatz "und (ist) nach Erfüllung dieser Förmlichkeiten auf dem Verwaltungswege der für die Zahlung der Erstattung zuständigen Stelle zuzuleiten" ist erst mit der im Streitfall nicht anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 2326/97 der Kommission vom 25. November 1997 (ABlEG Nr. L 323/1), die am 3. Dezember 1997 in Kraft trat, eingefügt worden. Nicht das HZA, sondern die Ausfuhrzollstelle musste also nach damaliger Rechtslage das Vorliegen der Bescheinigung der BLE prüfen. Das HZA ist offenbar im Rahmen des Erstattungsverfahrens der Klägerin in Anbetracht der ihm vorgelegten durch die Ausfuhrzollstelle angenommenen Ausfuhranmeldungen davon ausgegangen, dass "alles in Ordnung" sei und dass der Ausfuhrzollstelle die Bescheinigungen der BLE vorgelegt worden waren. Ob dem HZA im Erstattungsverfahren aus anderen Gründen das Fehlen der Bescheinigungen der BLE hätte auffallen müssen, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Feststellungen des FG fehlen.
Allerdings bedarf diese Frage auch keiner Klärung, denn nach der Rechtsprechung des EuGH zur nachträglichen buchmäßigen Erfassung von Einfuhrabgaben (EuGH-Urteile vom 14. Mai 1996 Rs. C-153/94 und C-204/94, EuGHE 1996, I-2465 Rz. 88; und vom 14. November 2002 Rs. C-251/00, EuGHE 2002, I-10433 Rz. 40), die ebenso auf den Streitfall übertragbar ist, ist die "zuständige Behörde", die den ggf. vorliegenden Irrtum begangen hat, jede Behörde, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit Gesichtspunkte beiträgt, die bei der Einfuhrabgabenerhebung --hier also entsprechend bei der Gewährung der Erstattung-- zu berücksichtigen sind.
Im Streitfall ist daher jedenfalls die Ausfuhrzollstelle als die "zuständige Behörde" i.S. des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 anzusehen, durch deren Irrtum die Ausfuhrerstattungen zu Unrecht gewährt worden sind. Wie sich aus der Fußnote 1 im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 2223/95 der Kommission vom 20. September 1995 zur Änderung der Ausfuhrerstattungen im Rindfleischsektor (ABlEG Nr. L 224/20) ergibt, ist Fleisch der Marktordnungs-Warenlistennummern 0201 2030 1100 und 0201 2050 1100, wie es im Streitfall zur Ausfuhr angemeldet worden ist, nur solches, für das eine Bescheinigung der BLE nach der VO Nr. 32/82 vorgelegt wird. Die Ausfuhrzollstelle hätte somit im Streitfall ohne Vorlage der Bescheinigung der BLE die Ausfuhranmeldungen für Waren der Marktordnungs-Warenlistennummern 0201 2030 1100 und 0201 2050 1100 nicht annehmen dürfen. Dass sie gleichwohl in Verkennung der maßgebenden Rechtsvorschriften die Ausfuhranmeldungen der Klägerin annahm, stellt einen "Irrtum der zuständigen Behörde" gemäß Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 dar, der dazu führt, dass auf die von der Klägerin zurückzuzahlenden Beträge keine Zinsen zu berechnen sind.
3. Der Senat hat aus den dargelegten Gründen keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 und sieht deshalb keine Verpflichtung, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen (vgl. dazu: EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).
Fundstellen
Haufe-Index 1674085 |
BFH/NV 2007, 379 |
BFHE 2008, 411 |
BFHE 215, 411 |
BB 2007, 202 |
DStRE 2007, 375 |
DStZ 2007, 157 |
HFR 2007, 205 |