Leitsatz
* 1. Ein dem Gericht durch Telefax übermittelter Schriftsatz ist, wenn der Ausdruck beim Empfänger nicht durch einen Fehler in der Funktion oder bei der Bedienung des Empfangsgeräts verzögert worden ist, in dem Zeitpunkt eingegangen, in dem er vom Empfangsgerät ausgedruckt worden ist.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Arbeitsüberlastung des prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts ist auch dann nicht zu gewähren, wenn die Überlastung bereits ein derartiges Maß angenommen hat, dass sie ein plötzliches und unerwartetes Einschlafen des Bevollmächtigten während der Erstellung von Schriftsätzen zur Folge haben könnte. Ein durch Arbeit überlasteter Rechtsanwalt muss rechtzeitig Sorge tragen, dass er Fristen dennoch einhalten kann.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 56 FGO , § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO
Sachverhalt
Das FG hatte die Klagen der Kläger als unbegründet abgewiesen, ohne die Revisionen zuzulassen. Gegen die am 14.4.2003 zugestellten Urteile des FG richteten sich die Nichtzulassungsbeschwerden per Telefax. Ausweislich der Telefaxausdrucke wurden die Beschwerden vom Büro der Prozessbevollmächtigten der Kläger am 15.5.2003 um 00:01 Uhr abgesandt und gingen um 00:02 Uhr beim BFH ein, im Hinblick auf die Rechtsbehelfsfrist von einem Monat gem. § 116 Abs. 2 FGO also verspätet. Die Kläger wurden auf die Fristversäumnis durch die Geschäftsstelle mit Schreiben vom 4.7.2003, abgesandt am 16.7.2003, hingewiesen.
Sie beantragten daraufhin am 16.7.2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründeten den Antrag wie folgt: Der Prozessbevollmächtigte habe die Beschwerden am Abend des 14. Mai 2003 abgefasst und ausgedruckt. Er sei sodann infolge starker beruflicher Belastung plötzlich und unerwartet eingeschlafen und erst kurz vor Mitternacht aufgewacht. Die jeweils aus nur einer Seite bestehenden Beschwerdeschriftsätze seien von ihm dann laut Funkuhr ab 23:58 Uhr in einer Sendung an den BFH gefaxt worden. In Anbetracht dessen könnten die Eingangsdaten beim BFH nur auf der üblicherweise ungenauen Telefaxuhr oder auf einem Versehen beruhen. Denn die Telefaxübertragung habe nur 37 Sekunden gedauert. Letzteres ergebe sich aus dem beigefügten Sendebericht des Prozessbevollmächtigten. Die darin angegebene Uhrzeit von 00:01 zeige das Ende des Faxvorgangs an.
Entscheidung
Der BFH hielt die Beschwerden für unzulässig. Sie waren nach § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb eines Monats nach Zustellung der vollständigen Urteile beim BFH einzulegen. Da die angefochtenen Urteile des FG den Klägern am 14.4.2003 zugestellt wurden, endeten die Beschwerdefristen folglich am 14. Mai 2003 um 24:00 Uhr. Tatsächlich sind sie ausweislich der Telefaxausdrucke des BFH erst am 15.5.2003 um 00:02 Uhr beim BFH und damit verspätet eingegangen, also zu spät, siehe die Praxis-Hinweise.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) wurde den Klägern aus den ebenfalls aus den Praxis-Hinweisen ersichtlichen Gründen nicht gewährt. Ob die – nicht näher substanziiert – Behauptung ihres Prozessbevollmächtigten, er sei infolge Arbeitsüberlastung am Abend des 14.5.2003 plötzlich und unerwartet eingeschlafen und erst kurz vor Mitternacht wieder aufgewacht, zutreffe oder nicht, könne letztlich offen bleiben.
Hinweis
1. Ein dem Gericht durch Telefax übermittelter Schriftsatz ist, wenn der Ausdruck beim Empfänger nicht durch einen Fehler in der Funktion oder bei der Bedienung des Empfangsgeräts verzögert worden ist, in dem Zeitpunkt eingegangen, in dem er vom Empfangsgerät ausgedruckt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 4.5.1994, XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097; BFH, Beschluss vom 2.3.2000, VII B 137/99, BFH/NV 2000, 1344).
Konsequenz: Sie sollten sich bei fristenwahrenden Schriftsätzen unbedingt genügend Zeit belassen. Dem Sendeausdruck kommt eine gewisse, wenn auch widerlegbare Beweiskraft zu!
2. Arbeitsüberlastung stellt grundsätzlich keinen entschuldbaren Hinderungsgrund dar, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könne (vgl. Koch in Gräber, FGO, 5. Aufl., § 56 Rz. 20 Stichwort Arbeitsüberlastung, m.w.N.). Ein durch Arbeit überlasteter Rechtsanwalt muss rechtzeitig Sorge tragen, dass er Fristen dennoch einhalten kann. Das gilt – so der BFH im Beschlussfall – umso mehr, wenn die Arbeitsüberlastung bereits ein derartiges Maß angenommen hat, dass sie ein plötzliches und unerwartetes Einschlafen während der Erstellung von Schriftsätzen zur Folge haben könnte! (Solches war vom Prozessbevollmächtigten allen Ernstes geltend gemacht worden.)
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 5.11.2003, I B 99-101/03