Leitsatz
Führt ein Verlustrücktrag zu einer Steuerfestsetzung von Null, entstehen mangels Liquiditätsvorteils keine Zinsen (§ 233a AO). Es ist eine Frage von Säumniszuschlägen, nicht von Zinsen, wenn für den Zeitraum zwischen der Bekanntgabe des ursprünglichen Steuerbescheides bis zur Bekanntabe des aufgrund des Verlustrücktrags geänderten Bescheides eine Zahlungsverpflichtung bestand, der der Steuerpflichtige nicht nachgekommen ist.
Sachverhalt
Im ursprünglichen KSt-Bescheid für das Streitjahr 1999 vom 23.8.2001 waren neben der KSt i. H. von abgerundet 31.000 DM auch Zinsen i.H. von 620 DM festgesetzt worden (§ 233a AO). Gegen diese Zinsfestsetzung wurde kein Einspruch eingelegt. Weder Vorauszahlungen noch Zahlungen auf die Steuerschuld oder Zinsen wurden geleistet. Der Beklagte änderte mit Bescheid vom 13.1.2005 die KSt für das Streitjahr aufgrund Verlustrücktrags und setzte die KSt 1999 auf 0 DM/0 EUR fest. Die bisherige Zinsfestsetzung blieb ausdrücklich bestehen. Die Klägerin legte Einspruch gegen die "wiederholende" Zinsfestsetzung im Steuerbescheid vom 13.1.2005 ein. Der Einspruch wurde vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung als unbegründet abgewiesen, weil der Bescheid über die Festsetzung der Zinsen mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gegen den Bescheid vom 23.8.2001 bestandkräftig geworden und daher eine Änderung im Einspruchsverfahren nicht mehr möglich sei. Eine Korrektur- oder Änderungsvorschrift sei nicht ersichtlich.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des erkennenden Senats des FG Baden-Württemberg sind Zinsen weder Sanktion noch Druckmittel oder Strafe, sondern laufzeitabhängige Gegenleistungen für die mögliche Kapitalnutzung. Entscheidend sei, ob der Schuldner der Steuernachforderung Zinsvorteile oder Liquiditätsvorteile erlangt habe oder zumindest erlangen bzw. anderweitige Zinsbelastungen vermeiden habe können. Die Bestimmung über die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen solle Liquiditätsvorteile aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung abschöpfen. Der Gesetzgeber wolle zwar die Erhebung von Zinsen grundsätzlich nach dem Sollprinzip ausgestalten, er wolle jedoch ersichtlich nicht, dass dies ohne Berücksichtigung des mit der Verzinsung beabsichtigten Zwecks des Zinsvorteils durchgeführt werde. Durch die Nichtleistung von Vorauszahlungen und durch die Nichtbeachtung des Zahlungsbefehls aufgrund der erstmaligen Steuerfestsetzung durch den KSt-Bescheid vom 23.8.2001 ergebe sich im Streitfall die nicht im Gesetz geregelte Konstellation, dass der Steuerpflichtige zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch gegen den Beklagten gehabt habe, den man verzinsen habe können. Aufgrund des Verlustrücktrags sei auch kein Steueranspruch zugunsten des Steuergläubigers entstanden. Es habe lediglich aufgrund des erstmaligen Steuerbescheids ein temporärer Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bestanden. Für den Steuerbürger sei es schlicht nicht verständlich, wenn er zum einen keine Steuer entrichten müsse, weil der Steueranspruch durch einen Verlustrücktrag gleichsam aufgezehrt werde, zum anderen aber Zinsen entrichten solle.
Hinweis
Der Berater, der der Rechtsansicht des erkennenden Senats folgt, sollte wissen, dass zwar keine Zinsen, jedoch Säumniszuschläge für die zeitweise entstandene und nicht erfüllte Steuerforderung zu entrichten sind. Die Tatsache, dass für einen bestimmten Zeitraum eine Zahlungsverpflichtung bestand, der der Steuerpflichtige nicht nachgekommen ist, führt zu Säumniszuschlägen. Bei Säumniszuschlägen ist auch ausdrücklich gesetzlich angeordnet, dass eine nachträgliche Änderung - wie im Streitfall durch einen Verlustrücktrag - die einmal verwirklichten Säumniszuschläge unberührt lässt (§ 240 Abs. 1 Satz 4 AO). Im Übrigen wurde die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache vom erkennenden Senat zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.03.2006, 6 K 211/05