Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Ein volljähriges Kind, das seine Berufsausbildung zwecks Betreuung des eigenen Kindes im Rahmen der Elternzeit nach §§ 15, 20 Abs. 1 des Bundeserziehungsgeldgesetzes in vollem Umfang unterbricht, befindet sich in dieser Zeit nicht in Berufsausbildung.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b EStG
Sachverhalt
Die volljährige Tochter D der Klägerin besuchte ein Gymnasium. Im Schuljahr 2000/2001 gebar D eine Tochter. D ist allein erziehende Mutter und erhält nach Angaben der Klägerin vom Vater des Kindes keine Unterhaltszahlungen.
Mit Beginn des Schuljahres 2001/2002 entschloss sich D die Schulausbildung für ein Jahr zu unterbrechen und ihr Kind zu betreuen. Der Beklagte hob daraufhin die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum ab 1.8.2001 mit der Begründung auf, D habe sich wegen der Unterbrechung des Schulbesuchs durch die Elternzeit nicht mehr in Ausbildung befunden.
Entscheidung
FG (EFG 2003, 173) und BFH bestätigten den Kindergeldbescheid. In Unterbrechungszeiten sei ein Kind grundsätzlich nicht in Berufsausbildung. Das gelte auch für eine Unterbrechung durch die sog. Elternzeit. Diese Zeit sei den Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz nicht vergleichbar. Diese Auslegung sei verfassungsrechtlich unbedenklich.
Hinweis
Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG ist ein volljähriges Kind beim Familienleistungsausgleich zu berücksichtigen, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Wird die Berufsausbildung unterbrochen, hat das grundsätzlich zu Folge, dass das Kind während der Zeit der Unterbrechung nicht für den Beruf ausgebildet wird. Anders ist dies nur, wenn dem Kind aus objektiven Gründen (z.B. wegen Erkrankung oder wegen eines Beschäftigungsverbots) die Ausbildung nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
Ein solcher objektiver Grund ist u.a. ein Beschäftigungsverbot während der Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes. Anders ist die Sachlage jedoch dann, wenn das Kind sich beurlauben lässt, um ein eigenes Kind zu betreuen (Erziehungsurlaub, jetzt: Elternzeit). Die dadurch bedingte Unterbrechung der Ausbildung beruht auf einem freiwilligen Entschluss des Kindes.
Allerdings sind die Eltern, deren kindbedingte Belastung das Kindergeld mindern soll, auch in diesem Fall weiter zum Unterhalt des Kindes verpflichtet. Das hat den BFH jedoch nicht dazu veranlasst, die Rechtsfolgen der Unterbrechung anders zu beurteilen. Hier ist die Begründung, dass die Betreuung eines eigenen Kindes durch das Kind als Ausnahmefall vernachlässigt werden könne, von besonderem Interesse. Sie zeigt, dass der BFH dazu bereit ist, der generalisierenden und typisierenden Betrachtung im Kindergeldrecht einen großen Spielraum einzuräumen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.7.2003, VIII R 47/02