5.1 Vorbemerkung
Im System des Familienleistungsausgleichs hat die Übertragung von Kinderfreibetrag und Bedarfsfreibetrag beim Übertragungsempfänger im Regelfall nur noch eine geringe steuerliche Auswirkung.
In den Fällen, in denen es nach dem Ergebnis der Vergleichsrechnung (Günstigerprüfung) beim Anspruch auf Kindergeld verbleibt, weil dieser höher ist, wirkt sich die Übertragung nur bei den Zuschlagsteuern (Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer) aus. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Zuschlagsteuern werden beim Übertragungsempfänger fiktiv ein voller Kinderfreibetrag und ein voller Bedarfsfreibetrag abgezogen.
Beim abgebenden Elternteil entfällt danach bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Zuschlagsteuern der fiktive Abzug des (halben) Kinderfreibetrags und des (halben) Bedarfsfreibetrags. Gleichwohl können sich beim abgebenden Elternteil im Einzelfall gravierende Auswirkungen ergeben.
5.2 Überblick
Der halbe Kinderfreibetrag und der halbe Bedarfsfreibetrag können wie folgt übertragen werden:
- Übertragung auf den anderen Elternteil (auch bei Lebenspartnern),
- Übertragung auf den Stiefelternteil (auch bei Lebenspartnern) oder die Großeltern.
5.3 Kinderfreibetrag
5.3.1 Übertragung auf den anderen Elternteil
Die Übertragung ist nur möglich bei einem Elternpaar, das
- verheiratet oder verpartnert ist und seit mindestens dem vorangegangenen VZ dauernd getrennt lebt,
- geschieden oder
- nicht verheiratet oder verpartnert ist
und wenn beide Elternteile unbeschränkt steuerpflichtig sind.
Voraussetzungen für die Übertragung des (halben) Kinderfreibetrags sind
- der Antrag desjenigen Elternteils, der seiner Unterhaltspflicht dem Kind gegenüber im Wesentlichen nachkommt, und
- die Tatsache, dass der andere Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht im Wesentlichen nachkommt oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist.
Der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, erfüllt seine Unterhaltspflicht durch die Betreuung des Kindes. Damit ist die Übertragung von dessen Kinderfreibetrag ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn der betreuende Elternteil zur Leistung von Barunterhalt außerstande ist.
Lebt das Kind mit seinen nicht verheirateten Eltern, die beide berufstätig sind, in einem gemeinsamen Haushalt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Eltern das Kind gemeinsam betreuen und anteilig zum Barunterhalt des Kindes beitragen. Damit erfüllen sie ihre jeweilige Unterhaltspflicht.
Bei einer funktionierenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft, in der beide Elternteile mit einem minderjährigen Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben, kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Verteilung der Unterhaltsleistungen zwischen den Elternteilen (in Form von Natural-, Bar- und Betreuungsunterhalt) dem Willen des allein sorgeberechtigten Elternteils oder der gemeinsam sorgeberechtigten Elternteile entspricht. Es kann nicht allein deshalb, weil ein betreuender Elternteil keinen oder nur einen geringen Beitrag zum (gemeinsamen) Haushaltseinkommen leistet, davon ausgegangen werden, dass dieser Elternteil seiner Unterhaltspflicht i. S. d. § 32 Abs. 6 Satz 6 Alt. 1 EStG nicht im Wesentlichen nachkommt. Ebenso kann allein daraus keine fehlende Unterhaltspflicht mangels Leistungsfähigkeit i. S. d. 2. Alternative abgeleitet werden.
Derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind nicht befindet, ist grundsätzlich zur Leistung von Barunterhalt verpflichtet. Der Barunterhalt leistende Elternteil hat keinen Übertragungsanspruch gegen den betreuenden Elternteil.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die Unterhaltspflicht im Wesentlichen erfüllt, wenn die Unterhaltsleistung mindestens 75 % der Verpflichtung ausmacht. Die Höhe der Barunterhaltsverpflichtung kann sich aus einer gerichtlichen Entscheidung, einer Verpflichtungserklärung, einem Vergleich oder einer vertraglichen Vereinbarung ergeben. Besteht eine derartige Festlegung der Unterhaltsverpflichtung nicht, ist deren Höhe aus der sog. "Düsseldorfer Tabelle" abzuleiten.
Eine Übertragung des Kinderfreibetrags mangels wesentlicher Erfüllung der Unterhaltspflicht kann nicht verlangt werden, wenn der andere Elternteil zwar keinen Unterhalt leistet, dies aber auf einer Erfüllungsübernahme durch den einen Ehegatten im Rahmen einer Vereinbarung über nachehelichen Unterhalt beruht. Die Freistellung des anderen Ehegatten von seiner Unterhaltspflicht dem Kind gegenüber durch den einen Ehegatten muss jedoch entgeltlich erfolgt sein.
Die 75 %-Grenze kann auch für den betreuenden Elternteil zum Tragen kommen, wenn er die Betreuung des Kindes nicht zu mindestens 75 % im Kalenderjahr bzw. im kürzeren Berücksichtigungszeitraum übernimmt und die übrige Zeit keinen Barunterhalt leistet.
Ein Elternteil kommt auch dann seiner Unterhaltspflicht in vollem Umfang nach, wenn die festgesetzte Unterhaltsverpflichtung, die er erfüllt, unter den Beträgen nach der "Düsseldorfer Tabelle" liegt. Ebenso kommt ein Elternteil seiner Unterhaltspflicht nach, dessen Verpflichtung im Verhältnis zum Unterhaltsbedarf de...