Leitsatz
Nimmt die volljährige Tochter bereits zwei Monate nach dem erfolgreichen Abschluss einer Lehre zur Bankkauffrau neben einer zu 80 % der tarifvertraglichen Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigten ausgeübten Erwerbstätigkeit bei der Bank an einer nichtstaatlichen Hochschule ein Fernstudium in dem Studiengang "Finance" auf, schließt sie dieses Studium knapp drei Jahre später mit dem akademischen Grad "Bachelor of Science" ab und war ihr Ausbildungsziel die Erlangung des akademischen Grads eines "Bachelor of Science", so ist das Studium als zweiter Ausbildungsabschnitt Teil der Erstausbildung der Tochter.
Sachverhalt
Der Kläger ist der Vater der im Jahr 1990 geborenen Tochter, die bis Januar 2012 eine Banklehre absolvierte. Ab dem 18. Januar 2012 wurde sie von ihrem Arbeitgeber in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Ab März 2012 nahm sie ein Fernstudium im Studiengang "Finance" auf. Für den Zugang zu den Bachelor-Studiengängen ist unter anderem eine Beschäftigung in einem Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche oder die Aufnahme einer einschlägigen Ausbildung notwendig. Die Tochter reduzierte ihre Arbeitszeit ab September 2012 auf 80 % der tarifvertraglichen Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigten. Im Januar 2015 schloss sie das Studium mit dem akademischen Grad "Bachelor of Science" ab. Die Familienkasse (FK) lehnte die Gewährung des Kindergeldes ab Februar 2012 ab, da die Tochter mit der Absolvierung der Prüfung als Bankkauffrau ihre Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen habe. Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, die Tochter habe von vornherein vorgehabt, sofort nach Abschluss der Banklehre ein Studium zu beginnen.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG hat im Streitfall der berufsqualifizierende Abschluss der Tochter zur Bankkauffrau nicht zu einem "Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung" geführt. Nach Überzeugung des FG war vielmehr die Erlangung des akademischen Grads eines "Bachelor of Science" das Ausbildungsziel der Tochter. Das Studium stelle aus diesem Grund einen Teil der Erstausbildung dar. Der erfolgreiche Abschluss des Studiums führe zu dem akademischen Titel "Bachelor of Science" und damit zu einem staatlich anerkannten Hochschulabschluss, der im Vergleich zur Bankkauffrau den Zugang zu weiteren Berufsbildern ermöglicht.
Hinweis
Die FK hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt. Mit Urteil BFH, Urteil v. 10.4.2019, III R 19/18 hat der BFH das Urteil des FG aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Der BFH hat die Auffassung vertreten, dass eine Erstausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht anzunehmen ist, wenn ein Kind nach Erlangung eines ersten Berufsabschlusses während einer beruflichen Weiterbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zur Weiterbildung als "Hauptsache" anzusehen ist. Im zweiten Rechtsgang muss das FG nun prüfen, ob die Tochter mit der Tätigkeit, die sie bei ihrem bisherigen Ausbildungsbetrieb aufnahm, bereits in den von ihr angestrebten Beruf eintrat und sie das Fernstudium im Studiengang "Finance" nicht mehr im Rahmen einer einheitlichen Erstausbildung, sondern als berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahme besuchte. Es wird der Frage nachzugehen haben, ob die weitere Ausbildung eher dem Beschäftigungsverhältnis untergeordnet war oder umgekehrt das Beschäftigungsverhältnis der Ausbildung.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 02.03.2018, 2 K 1006/17