Leitsatz
Ab dem 1.1.2012 ist der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes gegenüber seinem Ehegatten nicht mehr zu berücksichtigen. Die Eltern können ab 2012 auch dann Kindergeld für ein verheiratetes Kind erhalten, wenn das Kind einem Unterhaltsanspruch gegen seinen Ehegatten hat.
Sachverhalt
Der volljährige Sohn der Klägerin befindet sich in Erstausbildung. Die Ehefrau des Sohnes erzielte ein monatliches Nettoeinkommen i. H. v. rund 3.300 EUR. Die Familienkasse (FK) hat die Festsetzung des Kindergeldes aufgehoben, da aufgrund der Einkünfte der Ehefrau keine Unterhaltssituation für die Klägerin vorliege. Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, dass die Einkünfte der Ehefrau des Sohnes für die Bewilligung von Kindergeld unbeachtlich seien.
Entscheidung
Der Klägerin steht auch nach dem 1.1.2012 Kindergeld für ihren Sohn zu. Die Einkünfte der Ehefrau des Sohnes sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Unterhaltssituation der Klägerin zu berücksichtigen. Nach der älteren Rechtsprechung des BFH zu § 32 EStG, in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung, setzte der Anspruch auf Kindergeld eine "typische Unterhaltssituation" voraus. Danach war ein Kindergeldanspruch nicht gegeben, wenn ein Kind verheiratet war und kein sog. "Mangelfall" vorlag oder das Kind einer Vollzeitbeschäftigung nachging. Das Erfordernis "typische Unterhaltssituation" hat der BFH für die Fälle der Vollzeitbeschäftigung ausdrücklich mit der Begründung aufgegeben, dass eine typische Unterhaltssituation kein Tatbestandsmerkmal der Berücksichtigungstatbestände sei. Die Frage, ob ein Kind nicht auf Unterhaltsleistungen seiner Eltern angewiesen ist, ist nach der gesetzlichen Regelung erst im Rahmen der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes zu prüfen. Da seit dem 1.1.2012 die Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht mehr zu berücksichtigen sind und unter diesem Gesichtspunkt eine typische Unterhaltssituation nicht erforderlich ist, können auch die den Bedarf des Kindes deckenden Unterhaltsansprüche gegenüber dem Ehegatten einem Kindergeldanspruch nicht entgegenstehen. Die anderslautende Anweisung in der DA FamEStG (DA 3.2.2) ist rechtswidrig.
Hinweis
Die vom FG zugelassene Revision wurde von der FK eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. III R 34/13 geführt. Da die FK an die Anweisungen in der DAFamEStG gebunden sind, werden sie in vergleichbaren Fällen die Gewährung des Kindergeldes ablehnen. Betroffene sollten daher bei gleich gelagerten Sachverhalten gegen die Ablehnungsbescheide Einspruch einlegen und unter Hinweis auf das vorstehend genannte Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragen. Auch das Niedersächsische FG hat mit Urteil v. 22.8.2013, 6 K 187/13 zugunsten der Kindergeldberechtigten entschieden. Das Az. der Revision lautet hierzu XI R 39/13. Das FG München hat mit Urteil v. 20.2.2013, 9 K 3405/12 ebenfalls zugunsten der Kindergeldberechtigten entschieden. Das Az. der Revision lautet hierzu III R 33/13. Sowohl der III. als auch der XI. Senat des BFH haben daher in den vorstehenden Verfahren die Frage zu prüfen, ob nach dem Wegfall der Prüfung eigener Einkünfte und Bezüge ab dem 1.1.2012 das seitens des BFH aufgestellte Erfordernis einer typischen Unterhaltssituation für den Anspruch auf Kindergeld für verheiratete volljährige Kinder entfallen ist.
Link zur Entscheidung
Sächsisches FG, Urteil vom 13.06.2013, 2 K 458/13 (Kg)