Kontrovers diskutiert wurde im Zusammenhang mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer für nach dem KöMoG zur Körperschaftsteuer optierende Personenhandelsgesellschaften, die Frage, wie etwaiges SBV zu behandeln ist. Positive oder negative Wirtschaftsgüter, die im Eigentum des Gesellschafters stehen und bei einer nicht optierenden Personengesellschaft SBV I oder II darstellen würden, sind für ertragsteuerliche Zwecke bei optierenden Personenhandelsgesellschaften unzweifelhaft kein SBV mehr. Dies resultiert daraus, dass im nun geltenden Körperschaftsteuerregime aufgrund des Trennungsprinzips zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene grundsätzlich kein SBV existiert.
Da die optierende Personenhandelsgesellschaft im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht jedoch weiterhin als Personengesellschaft behandelt wird, stellte sich die Frage, ob es nur für diese Zwecke ein "fiktives SBV" gibt. Die Existenz von fiktivem SBV wurde in weiten Teilen der Literatur bejaht (vgl. Dörfler/Spitz, ErbStB 2022, 14 ff.; s.a. Rombach/Kahle, DB 2022, 1856, 1860 – zu einer Zusammenfassung der weiteren Stimmen). Allerdings erteilten auch einige Stimmen der Existenz des fiktiven SBV eine Absage, was insb. mit Argumenten der Gesetzessystematik und -historie begründet wurde (vgl. Storz/Wighardt, DStR 2022, 132, 133 f.; Bodden, KÖSDI 22937, 22945, sowie Rombach/Kahle, DB 2022, 1856, 1860 m.w.N.).
Die Finanzverwaltung hat der diskutierten Existenz von fiktivem SBV eine klare Absage erteilt (vgl. Ländererlasse v. 5.10.2022, Tz. 3 f.) und so relativ rasch Position in dieser offenen Rechtsfrage bezogen. Für die Praxis ergibt sich so Klarheit i.R.d. Gestaltung oder bei Erbfällen. Jedoch ist zu beachten, dass die Frage noch nicht gerichtlich entschieden wurde und durchaus von den FG abweichend von der Finanzverwaltung entschieden werden könnte.
Insbesondere das Risiko, dass unentdecktes SBV, welches nicht mit auf einen etwaigen Erben bzw. Beschenkten des Personengesellschaftsanteils übertragen wird, die Begünstigung nach §§ 13a,13b ErbStG für den gesamten Mitunternehmeranteil verhindert (vgl. hierzu Dörfler/Spitz, ErbStB 2022, 14, 16; Korezkij in BeckOK/ErbStG, § 13b Rz. 39), ist somit nicht mehr existent, sofern man der Auffassung der Finanzverwaltung Folge leistet.
Ein weiterer gewichtiger Vorteil der Verneinung des fiktiven SBV ist, dass insb. Forderungen des Gesellschafters an die optierende Personengesellschaft kein SBV mehr sein können. Sofern es sich um optierende doppel- oder mehrstöckige Personengesellschaften i.R. eines Unternehmensverbundes handelt, hat diese Tatsache einen signifikanten Vorteil ggü. nicht optierenden Personengesellschaften. Während bei nicht optierenden Personengesellschaften i.R.d. Verbundvermögensaufstellung Forderungen im SBV nach Ansicht der Finanzverwaltung (R E 13b.29 Abs. 5 Satz 6–8 ErbStR) nicht außer Ansatz gelassen werden dürfen, gilt dies für sonstige verbundinterne Forderungen nicht. Damit können gerade Forderungen ggü. optierenden Personengesellschaften unberücksichtigt bleiben, da diese auch erbschaftsteuerlich wie Forderungen ggü. "normalen" Kapitalgesellschaften behandelt werden. Der Vorteil, dass die Forderungen ggü. optierenden Personengesellschaften außer Ansatz gelassen werden können, ergibt sich insb. im Zusammenhang mit einem möglichen Bestehen oder Nichtbestehen des 90 %-Tests (§ 13b Abs. 2 ErbStG). Bei wirtschaftlich vergleichbaren Situationen kann allein diese unterschiedliche Qualifikation der Forderungen als SBV oder nicht SBV signifikante Konsequenzen haben (vgl. hierzu das plakative Beispiel von Dörfler/Spitz, ErbStB 2022, 14, 17 f. mit einer weiteren Einordnung).
Die in Tz. 20 der Ländererlasse v. 5.10.2022 vorgenommene Aussage, dass optierende Gesellschaften für Zwecke der Verbundvermögensaufstellung weiterhin als Personengesellschaften qualifiziert wird, ändert u.E. nichts an den vorstehenden Aussagen. Tz. 20 bezieht sich insb. auf die Frage, ob im Unternehmensverbund aufgrund der Beteiligungshöhe – wie bei Kapitalgesellschaften – Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG) vorliegt. Dies ist bei einer Qualifikation als Personengesellschaft nicht der Fall, auch etwaige Poolvereinbarungen sind entbehrlich. Mangels ertragsteuerlichem SBV auch im Unternehmensverbund und der expliziten Absage an fiktives SBV (s.o.) kann Tz. 20 für die Verbundvermögensaufstellung u.E. nicht dazu führen, dass nur für diesen Zweck wieder ein Ansatz der Forderungen und Verbindlichkeiten in der Verbundvermögensaufstellung zu erfolgen hat. Es wäre wünschenswert, wenn die Finanzverwaltung diese verbleibende Zweifelsfrage bspw. mit erläuternden Beispielen klärt.
Beraterhinweis Sofern i.R.d. Nachfolgeplanung der 90 %-Test aufgrund hoher verbundinterner Forderungen im SBV voraussichtlich nicht bestanden wird, kann die Ausübung der Option zur Körperschaftsteuer ein Mittel zur Lösung des Problems sein. Bislang war auch der echte Formwechsel zur GmbH ein Mittel, um dieser Problematik zu begegnen. Der fiktive Formwechsel ...