Leitsatz
Innerhalb der Klagefrist kann auch Klage mittels eines fremdsprachigen Schriftsatzes eingereicht werden.
Sachverhalt
Ein australischer Staatsangehöriger, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist und in Australien lebt, erbte im April 2006 von seinem Onkel in Deutschland zusammen mit seinem Bruder ein Grundstück und eine Gaststätte. Er beauftragte einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung. Im April 2007 reichten der Vertreter eine Erbschaftsteuererklärung beim Finanzamt ein. Gleichzeitig wurde ein Gutachter mit einem Verkehrswertgutachten beauftragt. Im Juni 2007 setzte das Finanzamt eine Erbschaftsteuer fest. In einer Anlage zum Bescheid wurde auf die Behaltensregelung nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG hingewiesen. Im Mai 2008 setzte sich die Erbengemeinschaft auseinander. Der Miterbe B veräußerte dabei im März 2009 das Betriebsgrundstück an einen dritten Erwerber. Hierauf setzt das Finanzamt die Erbschaftsteuer gemäß § 175 AO herauf. Der Änderungsbescheid war an den Empfangsbevollmächtigten des Klägers ergangen. Dieser teilte mit, dass das Mandatsverhältnis bereits im April 2008 erloschen sei. Daraufhin übersandte das Finanzamt den Bescheid an den Kläger in Australien. Der Kläger legte in einem Brief in englischer Sprache Einspruch ein. Das Finanzamt bat ihn sodann eine Übersetzung sowie Belege für die geltend gemachten Abwicklungskosten (ebenfalls in deutscher Sprache) vorzulegen. Das Finanzamt wies den Einspruch im April 2010 als unzulässig ab, da der Einspruch verspätet ergangen sei. Hier sei die Versendung an die (ehemaligen) steuerlichen Berater bereits ordnungsgemäß gewesen, da der Widerruf der Vollmacht nicht bekannt gewesen sei. Gründe für eine Wiedereinsetzung seien nicht ersichtlich. Daraufhin erhob der Kläger Klage beim Finanzgericht, ebenfalls in englischer Sprache. Die Klage nebst weiteren Unterlagen wurde auf der Geschäftsstelle des Finanzgerichts übersetzt. Das Finanzamt vertritt nach wie vor die Auffassung, dass der Einspruch unzulässig gewesen sei.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klage teilweise statt. Dabei ist hier vor allem von Bedeutung, dass das Finanzgericht zu einer Zulässigkeit der Klage kam. Zwar hat der Kläger die Klage lediglich in englischer Sprache eingereicht, was grundsätzlich nicht als ausreichend anzusehen ist, da die Gerichtssprache Deutsch ist. Gleichwohl hat er die Klage hier wirksam erhoben, da das Gericht den Schriftsatz von Amts wegen in die deutsche Sprache übersetzen ließ. Der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gebietet dieses. Ein in Australien lebender Steuerpflichtiger, der der deutschen Steuer unterworfen wird, muss das Recht auf eine wirksame richterliche Kontrolle der Entscheidung der Finanzverwaltung haben. Wenn das Gericht selber die Übersetzung anfertigt, ist es als reiner Formalismus anzusehen, eine Übersetzung vom Kläger persönlich zu verlangen. Der Umstand, dass die Übersetzung der Klageschrift nicht innerhalb der Klagefrist vorgelegt wurde, ist unerheblich, da dem Kläger in jedem Fall von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Hinweis
Der Entscheidung ist als zutreffend anzusehen. Zwar gilt nach wie vor richtiger Weise, dass Amtssprache für das Verwaltungsverfahren (§ 87 AO) und Gerichtssprache für das Klageverfahren (§ 184 GVG) die deutsche Sprache ist. Dies darf aber nicht in der Weise ausgelegt werden, dass einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer ein effektiver Rechtsschutz verwehrt wird, da Art. 19 Abs. 4 GG auch in einem solchen Fall gilt. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in verschiedenen Entscheidungen in der Vergangenheit dargelegt . Regelmäßig ist deshalb, wenn den Ausländer kein Verschulden trifft, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren . Das FG Düsseldorf trifft darüber hinaus auch die sehr interessante Feststellung, dass es sich als reine Förmelei darstelle, wenn das Gericht eine deutsche Übersetzung von Schriftsätzen einfordert, obwohl es selber in der Lage sei, diese zu übersetzen. Für Schriftsätze in englischer Sprache erscheint dies zumindest zutreffend.
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2010, 4 K 1775/10 Erb