Leitsatz
Ein Verband nimmt auch dann allgemeine Interessen eines Wirtschaftszweigs wahr, wenn er lediglich die in einem eng begrenzten Bereich der unternehmerischen Tätigkeit bestehenden gemeinsamen Interessen eines Wirtschaftszweigs vertritt.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG
Sachverhalt
Der Kläger war ein nicht rechtsfähiger Verein. Ihm kann jedes in der Bundesrepublik Deutschland tätiges Versicherungsunternehmen (VU) als Mitglied beitreten. Im Jahr 1992 (Streitjahr) waren ca. 200 VU Mitglieder des Klägers. Sein satzungsmäßiger Zweck ist die Wahrnehmung berufsständischer Aufgaben.
Seinem Begehren, gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG von der KSt befreit zu werden, entsprachen weder das FA noch das angerufene FG (EFG 2003, 116).
Entscheidung
Der BFH sah dies anders und gab der Revision statt. Im Einzelnen ergibt sich die Begründung aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 KStG a.F. sind u.a. Berufsverbände ohne öffentlich-rechtlichen Charakter von der Körperschaftsteuer befreit, wenn ihr Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Das entspricht in diesem Punkt der derzeitigen Gesetzesfassung. Anders als früher schadet das Unterhalten eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs aber nicht nur "insoweit", vielmehr generell.
2. Unklar ist, was unter 'Berufsverband' zu verstehen ist. § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 KStG a.F. schweigt dazu, lässt aber immerhin erkennen, dass eine Körperschaft des privaten Rechts nur dann ein Berufsverband i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 KStG a.F. ist, wenn sie allgemeine ideelle und wirtschaftliche Interessen eines Wirtschaftszweigs oder der Angehörigen eines Berufs wahrnimmt.
Dementsprechend ist nach der Rechtsprechung des BFH ein Berufsverband im Sinn des Steuerrechts ein Zusammenschluss natürlicher Personen oder Unternehmen, der allgemeine, aus der beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit erwachsende ideelle und wirtschaftliche Interessen eines Wirtschaftszweigs oder der Angehörigen eines Berufs wahrnimmt. Die Finanzverwaltung ist dem gefolgt, Abschn. 8 Abs. 1 Satz 1 KStR 1995. Es müssen wirtschaftliche Interessen aller Angehörigen des Berufs oder Wirtschaftszweigs wahrgenommen werden und nicht nur Interessen einzelner Angehöriger des Berufs oder Wirtschaftszweigs (sog. Individualinteressen) vertreten werden.
3. Dazu stellt der BFH im Urteilsfall ergänzend klar:
Zwar sei die Wahrnehmung ideeller und wirtschaftlicher Interessen kennzeichnend für Berufsverbände. Die Norm sei aber nicht dahin gehend auszulegen, dass es sich nur dann um einen Berufsverband i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG a.F. handele, wenn er sowohl ideelle als auch wirtschaftliche Interessen eines Wirtschaftszweigs oder der Angehörigen eines Berufs vertrete. Es reiche aus, wenn allgemeine Interessen wirtschaftlicher Art wahrgenommen würden. Denn die Wahrnehmung allgemeiner wirtschaftlicher Interessen sei zugleich eine Vertretung ideeller Interessen i.S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG a.F.
Es sei daher zutreffend, dass auch ein Verein, der nur ein einziges gemeinsames wirtschaftliches Interesse eines Wirtschaftszweigs wahrnehme, ein steuerbefreiter Berufsverband sein könne, also z.B. auch die Arbeitgeberverbände, die nur in einem Teilbereich die Interessen ihres Wirtschaftszweigs wahrnähmen (s. Abschn. 8 Abs. 2 KStR 1995).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4.6.2003, I R 45/02