Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1421
Eine Legaldefinition des Begriffs vGA gibt es nicht. Verdeckte Gewinnausschüttungen werden ausdrücklich nur in § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG im Zusammenhang mit der Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Einkommens erwähnt. Nach dieser Regelung mindern verdeckte Gewinnausschüttungen das Einkommen einer Körperschaft nicht. Sie sind daher von der auszahlenden Körperschaft als Einkommen zu erklären. Der in § 27 Abs. 3 Satz 3 KStG 1977 a.F. benutzte Begriff der "anderen Ausschüttung", der im Bereich des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens von Bedeutung ist, ist mit dem Begriff "vGA" nicht identisch.
Die gesetzlichen Regeln über die Gewinnermittlung und die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung sind durch die Abkehr vom Anrechnungsverfahren weitgehend unberührt geblieben.
Die von der Rspr. herausgearbeitete Definition des Begriffs der vGA lautet seit 1989, und auch mit Billigung des BVerfG, wie folgt: Eine vGA ist eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung der Kapitalgesellschaft, die ihrerseits durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens der Kapitalgesellschaft auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Nach der älteren Rspr. der Finanzgerichte lag eine vGA vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einem nahestehenden Dritten außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem fremden Dritten, der nicht Gesellschafter ist, unter sonst gleichen Umständen nicht zuwenden würde. Das Merkmal der "Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters" hat heute nurmehr indizielle Funktion. Es dient der Ausfüllung des sog. Fremdvergleichs, durch den abgegrenzt wird, ob eine Zuwendung an einen Gesellschafter aus betrieblichen Gründen erfolgte oder mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt wurde.
Der Umstand des "Nahestehens" kann sich aus familienrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen, schuldrechtlichen oder rein tatsächlichen Gründen ergeben. Auch juristische Personen können aufgrund der vorgenannten Beziehungen in diesem Sinne einander "nahestehen".
Zudem lässt es der BFH für die Annahme einer vGA zugunsten des beherrschenden Gesellschafters ausreichen, dass Zahlungen im Rahmen eines Leistungsaustausches erfolgen, ohne dass diesem eine klare, eindeutige und im Voraus getroffene Vereinbarung zugrunde läge (vgl. insoweit H 8.5 KStR 2015). Diese steuerliche, inzwischen aber abgeschwächte Beweisregelung ist mit strafrechtlichen Beweisgrundsätzen nicht kompatibel. Der Strafrichter muss vielmehr feststellen, ob bei einem zugrunde liegenden Leistungsaustausch das Entgelt unangemessen ist oder nicht.
Rz. 1422
Ungeachtet gewisser definitorischer Probleme im Bereich des Steuerrechts darf nicht verkannt werden, dass sich die Voraussetzungen der vGA im Steuerrecht und im Zivilrecht nicht decken. "Nicht ernstlich gemeinte" Vereinbarungen können nach BFH eine vGA darstellen, während die Lit. insoweit ein Scheingeschäft i.S.d. § 117 BGB, § 41 Abs. 2 AO (s. dazu Rz. 1231) annimmt. Das Verhältnis der vGA zur missbräuchlichen Steuergestaltung (§ 42 AO) ist überwiegend ungeklärt. Sie kann mit missbräuchlichen Gestaltungen zusammenfallen, muss es aber nicht und wird es i.d.R. auch nicht tun. VGA und Gestaltungsmissbrauch sind strikt voneinander zu unterscheiden.
Rz. 1423
Phänomenologisch kann eine vGA, wie sich aus der Definition der Rspr. ergibt, als Vermögensminderung oder als verhinderte Vermögensmehrung der Kapitalgesellschaft auftreten. Typische Fallgestaltungen (vgl. H 8.5 KStR 2015) dabei sind z.B.:
- Ein Gesellschafter-Geschäftsführer erhält von der Gesellschaft ein unangemessen hohes Geschäftsführer-Gehalt.
- Das Geschäftsführer-Gehalt ist zwar angemessen; zusätzlich werden jedoch hohe umsatzabhängige Tantiemen gezahlt.
- Ein Gesellschafter erhält von der Gesellschaft ein Darlehen zinslos oder zu einem außergewöhnlich geringeren Zinssatz.
- Ein Gesellschafter gibt der Gesellschaft ein Darlehen zu einem unüblich hohen Zinssatz.
- Ein Gesellschafter bezieht von der Gesellschaft Waren zu ungewöhnlich niedrigen Preisen.
- Gewährung von fremdvergleichswidrigen Verrechnungspreisen unter verbundenen Unternehmen.
- Die Gesellschaft verzichtet auf Rechte, die ihr gegenüber einem Gesellschafter zustehen.
- Ein mitarbeitender Angehöriger eines Gesellschafters bezieht von der Gesellschaft ein unangemessen hohes Gehalt.
- Unangemessene oder unübliche Pensionsrückstellungen.
- Zusätzliche Schwarzeinnahmen des Gesellschafters.
- Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot.
- Verstoß gegen die "Geschäftschancenlehre" des BFH.
Der BFH hat darüber hinaus in den folgenden Fällen jeweils vGAen angenommen:
- Spielraum bei der Berechnung von Zinsvergütungen im Rahmen eines konzerninternen Cash-Pooling-Verfahrens, ...