Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1433
Die vom BFH aufgestellten objektiven Kriterien zur Definition einer vGA werden von der strafrechtlichen Rspr. regelmäßig übernommen. Gleichwohl behält sich die strafrechtliche Rspr. vor, die von der finanzgerichtlichen Rspr. aufgestellten Kritierien abweichend auszufüllen oder eine Entscheidung auf abweichende rechtliche Erwägungen zu gründen.
Problematisch ist in der Praxis vor allem, dass in der Regel das Steuer- und das Strafverfahren nacheinander entschieden werden. Gerade im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die die steuerliche Behandlung der vGA birgt, wäre es sinnvoll, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt zunächst steuerlich aufgearbeitet (und entschieden) werden würde. Nur so könnte dem Richter im Strafverfahren, der zumeist mit dem (Körperschaft-)Steuerrecht im besten Falle nur am Rande befasst ist, eine Orientierungsgrundlage für seine (selbstverständlich nach den Beweisregeln des Strafprozessrechtes zu treffende) Entscheidung an die Hand gegeben werden, was die Höhe des Hinterziehungsvolumens betrifft.
Beispiel
Beispielhaft hierfür sei der Fall, der dem Beschluss des BGH vom 1.12.2015 vorlag, genannt. Hier hatte das zuständige Landgericht zwar rechtsfehlerfrei festgestellt, dass dem Grunde nach eine vGA vorlag, hatte allerdings im Hinblick auf die Höhe die falschen Schlüsse gezogen: Die Gesellschafter einer GmbH hatten Wirtschaftsgüter mit Mitteln der GmbH angeschafft und als Betriebsvermögen aktiviert. Diese Wirtschaftsgüter nutzten sie rein privat. Die Wirtschaftsgüter hatten sie in den folgenden Jahren abgeschrieben. Das Landgericht hatte hinsichtlich der Höhe der vGA fälschlicherweise auf die Bruttorechnungen abgestellt. Aufgrund der Aktivierung der Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen fand jedoch ein erfolgsneutraler Aktivtausch statt und nur in Höhe der Abschreibungen erfolgte eine Minderung des steuerlichen Einkommens i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG.
Der Schwerpunkt der relevanten Handlungen liegt in diesem Zusammenhang zumeist in der Umqualifizierung der Leistungsbeziehungen zwischen Körperschaft und Anteilseigner, indem z.B. Erlöse nicht erfasst, Aufwendungen vorgetäuscht und Kosten der privaten Lebensführung gewinnmindernd als Aufwand der Körperschaft behandelt werden. In der Praxis häufig anzutreffen sind auch Schwarzeinnahmen, die ein Gesellschafter durch Einsatz der GmbH erwirtschaftet hat, aber in deren Steuererklärung verschwiegen werden. In diesem Fall besteht ein interessanter Verteidigungsansatz, wenn bisher nur die Körperschaftsteuer Gegenstand der Anklage ist, die Schwarzeinnahmen bei zutreffender Beurteilung nicht durch die GmbH, sondern unmittelbar durch den Gesellschafter erzielt wurden (GmbH als bloßes Werkzeug). Dann stellt sich z.B. die bisher ungeklärte Frage, ob die Anklage und der Eröffnungsbeschluss nachträglich geändert werden können bzw. ob ein Hinweis gem. § 265 Abs. 1 StPO erforderlich wird mit der evtl. damit verbundenen Unterbrechung oder gar im Ausnahmefall die Aussetzung ggf. des Verfahrens (§ 265 Abs. 4 StPO). Ein Strafklageverbrauch hinsichtlich der Einkommensteuer könnte möglicherweise eintreten, wenn darauf abgestellt wird, dass die Einkommensteuer untrennbar mit dem Sachverhalt verbunden ist. Die Rspr. hierzu bleibt abzuwarten.
Rz. 1434
Bereits die Bezeichnung "verdeckte" Gewinnausschüttung könnte den Eindruck erwecken, dass in jeder vGA ein Element des Verheimlichens steckt, das steuerstrafrechtlich relevant ist. Dieser gedankliche Ansatz ist jedoch unzutreffend. Die bei einer vGA vorliegende Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung ist körperschaftsteuerlich bereits deshalb vGA, weil sie in keinem Zusammenhang mit einer offenen Gewinnausschüttung steht. Das bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass mit dieser vGA eine Tathandlung i.S.d. § 370 AO vorliegt, erst recht nicht, dass es zu einer – ggf. auch nur versuchten – Steuerverkürzung kommt.
Die Vornahme einer vGA wird strafrechtlich erst bedeutsam, wenn insoweit gegenüber den Finanzbehörden unrichtige und unvollständige Angaben gemacht werden (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder Angaben dazu pflichtwidrig unterlassen werden (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).
Rz. 1435
Als Täter kommen in erster Linie die gesetzlichen Vertreter der juristischen Person i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 AO, denen die Erfüllung der steuerlichen Pflichten auferlegt ist (im Falle der Körperschaftsteuer aus § 49 Abs. 1 KStG i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG, § 56 Abs. 1 Nr. 2 EStDV und § 49 Abs. 2 Satz 2 KStG), in Betracht sowie die Verfügungsberechtigten i.S.d. § 35 AO.
Rz. 1436
Die Vornahme der vGA ist tatbestandlich noch irrelevant. Auch im unrichtigen Verbuchen einer vGA liegt noch eine straflose Vorbereitungshandlung, mag diese auch den Tatbestand des § 379 AO erfüllen. Erst mit Abgabe der Körperschaft- oder Einkommensteuererklärung beginnt der Versuch einer Steuerhinterziehung (s. Rz. 690, 701 ff.). Gesehen werden sollte allerdings, dass Beihilfehand...