Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1363
Besonderheiten ergeben sich aus der Tatsache, dass bei der Umsatzsteuer neben den Voranmeldungen eine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben ist. Aufgrund der Jahreserklärung wird die Steuer für das Kalenderjahr als Besteuerungszeitraum erstmals festgesetzt. In der Umsatzsteuerjahreserklärung hat der Unternehmer ebenfalls die Steuer selbst zu berechnen. Auch bei der Jahreserklärung handelt es sich um eine Steueranmeldung (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG), sie steht damit einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Die Umsatzsteuerjahreserklärung ist grds. bis zum 31.5. des auf das jeweilige Veranlagungsjahr folgenden Jahres abzugeben (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO). Der angemeldete, in der Jahressteuererklärung aufgeführte Unterschiedsbetrag zugunsten des FA wird einen Monat nach Eingang der Steueranmeldung fällig (§ 18 Abs. 4 Satz 1 UStG). Errechnet der Unternehmer einen Erstattungsbetrag, so erfordert dies die Zustimmung des FA. Hier gilt das unter Rz. 1361 Gesagte.
Rz. 1364
Das Umsatzsteuervoranmeldungsverfahren und das Umsatzsteuerjahresverfahren verlaufen damit parallel zueinander und sind in steuerrechtlicher Hinsicht völlig selbständig zu beurteilen (z.B. auch im Hinblick auf Verspätungszuschläge nach § 152 AO). Aufgrund der verfahrensrechtlichen Selbständigkeit beider Arten von Steueranmeldungen entbindet die Abgabe wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen den Unternehmer nicht von der Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung. Umgekehrt lässt eine zutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung die steuerrechtliche Pflicht zur Einreichung noch ausstehender Umsatzsteuervoranmeldungen nicht entfallen. In strafrechtlicher Hinsicht stellen die Abgabe bzw. das Unterlassen der Voranmeldungen und der Jahreserklärung mehrere natürliche Handlungen dar. Das Konkurrenzverhältnis von Voranmeldungen und Jahressteuererklärung wird nicht einheitlich beurteilt (s. auch Rz. 910 ff.).
Rz. 1365
Nach st. Rspr. des BGH stehen Steuerhinterziehungen wegen der Abgabe unzutreffender monatlicher Umsatzsteuervoranmeldungen und solche bezogen auf die Pflicht zur rechtzeitigen Einreichung einer zutreffenden Umsatzsteuerjahreserklärung auch dann im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB), wenn sie dasselbe Kalenderjahr betreffen. Nach Ansicht des BGH kommt der Abgabe einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) im Verhältnis zu den vorangegangenen unzutreffenden monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 18 Abs. 1 UStG) dasselbe Kalenderjahr betreffend ein selbständiger Unrechtsgehalt zu, was dazu führt, dass es sich bei der Steuerhinterziehung aufgrund der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer wahrheitsgemäßen Umsatzsteuerjahreserklärung nicht um eine mitbestrafte Nachtat handelt. Dies hat zur Folge, dass bei monatlich abzugebenden Voranmeldungen bis zu 13 materiell voneinander unabhängige Taten der Steuerhinterziehung möglich sind. Zur Begründung führt der BGH aus:
„Der Senat hält an seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass der Abgabe einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) im Verhältnis zu den vorangegangenen unzutreffenden monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen in demselben Kalenderjahr (§ 18 Abs. 1 UStG) in steuerstrafrechtlicher Hinsicht ein selbständiger Unrechtsgehalt zukommt; es handelt sich nicht um eine mitbestrafte Nachtat (BGH v. 10.12.1991 – 5 StR 536/91, BGHSt 38, 165, 171 = UR 1992, 183 = wistra 1992, 93). Zwar beziehen sich die Voranmeldungen und die Jahreserklärung auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen eines jeweiligen Jahres. Beiden Arten von Steuererklärungen kommt jedoch ein eigenständiger Erklärungswert zu, der auch durch die Zusammenfassung in der Jahreserklärung nicht deckungsgleich wird.
Monatliche Voranmeldungen dienen der zeitnahen Erfassung und Erhebung der Umsatzsteuer; auf der Grundlage der erklärten monatlichen Umsätze wird die Steuer für den Voranmeldungszeitraum als Vorauszahlung vom Steuerpflichtigen berechnet oder vom Finanzamt festgesetzt (§ 168 AO).
Die Abgabe der Steuererklärung für den Besteuerungszeitraum – nach § 16 Abs. 1 und 2 UStG grundsätzlich das Kalenderjahr – berührt die bereits abgegebenen Voranmeldungen nicht, sie werden weder geändert noch ergänzt; die Fälligkeit rückständiger Vorauszahlungen, die aufgrund vorangegangener Voranmeldungen zu erbringen sind, bleibt nach § 18 Abs. 4 Satz 3 UStG unberührt [...]. Auch wenn sich die Summe der Vorauszahlungen mit der Steuer für den Besteuerungszeitraum deckt, ist eine Steuererklärung abzugeben. Aufgrund der Jahreserklärung wird die Steuer für den Besteuerungszeitraum erstmals festgesetzt; das Leistungsgebot beschränkt sich nach § 18 Abs. 4 Sätze 1 und 2 UStG jedoch auf den Unterschiedsbetrag zur Summe der Vorauszahlungen.
Es handelt sich folglich nach diesem vom Gesetz vorgegebenen System bei den Voranmeldungen und den Jahreserklärungen um verschiedene Steuerfestsetzungen, die einer ...