Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1351
Steuerhinterziehung kann der Leistungsempfänger nicht zu eigenen Gunsten, sondern nur zugunsten des Leistenden begehen, da Steuerschuldner derjenige ist, für den der Abzug vorgenommen wird (§ 48 Abs. 1 EStG). Er erfüllt den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn er die Bauabzugsteuer nicht fristgemäß anmeldet (§ 48a Abs. 1 Satz 1 EStG).
Beispiel
Privatmann P lässt in dem von ihm vermieteten Zweifamilienhaus die Bäder durch den polnischen Bauunternehmer B erneuern und zahlt diesem im April 2019 die vereinbarte Bauauftragssumme i.H.v. 20.000 EUR. Die "Bauunternehmersteuer" meldet P dem zuständigen FA weder an noch führt er diese ab.
Bereits durch die unterlassene Anmeldung mit Fristablauf zum 10.5.2019 (§ 48a Abs. 1 EStG) ist objektiv eine vollendete Steuerhinterziehung durch P zu bejahen. Ob die Einlassung, diese Verpflichtung nicht gekannt zu haben, den Vorsatz ausschließt, ist dann Tatfrage.
Unterlässt der Leistungsempfänger die Anmeldung und Abführung der Bauabzugsteuer, weil objektiv die Voraussetzungen einer Freistellung bei dem Leistenden gegeben wären, liegt ihm aber eine gültige Freistellungsbescheinigung nicht vor, begeht er keine Steuerhinterziehung (str., s. dazu Rz. 444 f.).
Abwandlung
Bauunternehmer B hat dem P eine durch unrichtige Angaben erschlichene Freistellungsbescheinigung vorgelegt. Daraufhin unterlässt P die Anmeldung und Abführung der Bauabzugsteuer. Die Strafbarkeit des P ist abhängig von seinem Kenntnisstand. Eine Verantwortlichkeit als Täter oder Teilnehmer an einer Steuerhinterziehung ist eher unwahrscheinlich.
Eine Beteiligung an der Steuerhinterziehung des Leistenden in Form der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) kommt nur in Betracht, wenn Leistungsempfänger und Leistender nachweislich bewusst arbeitsteilig zusammengewirkt haben.
Auch für eine Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur Hinterziehung des Leistenden bedarf es des Nachweises eines entsprechenden doppelten Gehilfenvorsatzes.
Wahrscheinlicher ist hingegen, dass der Leistungsempfänger sich eine leichtfertige Steuerverkürzung bzw. eine Gefährdung von Abzugsteuern vorhalten lassen muss. Eine Verantwortlichkeit wegen leichtfertiger Steuerverkürzung zugunsten des Leistenden gem. § 378 AO ist nur dann begründet, wenn der Leistungsempfänger entgegen seiner Verpflichtung die Freistellungsbescheinigung nicht prüft. Unterlässt er eine Nachfrage beim FA oder eine Internetabfrage, so stellt dies für sich allein genommen jedoch noch kein fahrlässiges Handeln dar.
Rz. 1352
Eine Gefährdung von Abzugsteuern (§ 380 AO) liegt vor, wenn der Leistungsempfänger zwar die Steuer anmeldet, sie aber vorsätzlich oder leichtfertig nicht abführt (s. § 380 Rz. 8, 29.1 ff.).