Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 334
Ein wichtiger Anwendungsfall des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist die unterlassene Anzeige und Richtigstellung nach § 153 Abs. 1 AO. Nr. 1 betrifft die Richtigstellung unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen; Nr. 2 die Anzeige und Berichtigung, wenn eine durch Verwendung von Steuerzeichen oder -stemplern zu entrichtende Steuer nicht in der richtigen Höhe geleistet wurde. S. dazu auch das BMF-Schreiben vom 23.5.2016.
Rz. 335
In st. Rspr. ist zu Recht anerkannt, dass das Unterlassen der nach § 153 Abs. 1 AO gebotenen Anzeige und Berichtigung zu einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO führt, da § 153 AO die Pflicht begründet, gegenüber den FinB steuerlich erhebliche Angaben zu machen. § 153 Abs. 1 AO stellt einen gesetzlich geregelten Fall einer Garantenstellung kraft vorangegangenen Tuns dar, sofern der zur Berichtigung Verpflichtete selbst die ursprüngliche Erklärung abgegeben hatte. Es spielt aber anders als im allgemeinen Strafrecht keine Rolle, ob das Vorverhalten pflichtwidrig war oder nicht. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut hat der Stpfl. auch fremde, für ihn abgegebene unrichtige Erklärungen zu berichtigen. Aus der systematischen Stellung wird teilweise eine Beschränkung der Berichtigungspflicht auf Steuerklärungen abgeleitet. Nach Auffassung des BMF sind allerdings alle Erklärungen des Steuerpflichtigen erfasst, wofür der Wortlaut spricht. Für den Stpfl. sind bspw. auch die Angaben abgegeben, die ein Notar aufgrund der ihn selbst treffenden Pflicht nach § 18 GrEstG der FinB mitteilt. Die steuerliche Berichtigungspflicht des § 153 AO soll nicht deswegen entfallen, weil der richtige Sachverhalt zwischenzeitlich dem FA bekannt ist. Nach dem Schreiben des BMF vom 23.5.2016 soll die Berichtigungspflicht jedoch in Fällen von Fehlerfeststellungen durch die Betriebsprüfung für die in der Prüfungsanordnung vorgesehenen Steuerarten und Prüfungsfeststellungen nicht bestehen; § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO setzt allerdings ohnehin die Unkenntnis der FinB voraus. Unterlaufen der FinB während des Bearbeitungsvorgangs Irrtümer oder Fehler, die sich zugunsten des Stpfl. auswirken, und erkennt der Stpfl. dies, ist er mangels eigenen oder ihm zuzurechnenden vorangegangenen Tuns nicht verpflichtet, auf den Fehler hinzuweisen (s. Rz. 222). Durch Geltendmachen eines aufgrund des Fehlers der FinB bestandskräftig festgesetzten Verlustvortrags werden auch keine Falschangaben durch positives Tun gemacht (s. Rz. 217). Ebenso wenig besteht eine Berichtigungspflicht, wenn überhaupt keine Erklärung abgegeben wird. Dann bleibt die ursprüngliche Erklärungspflicht, etwa die nach ErbStG, bestehen. Nach Auffassung des FG München besteht keine Anzeige- und Berichtigungspflicht, wenn der Stpfl. zu dem Zeitpunkt, an dem er die zu niedrige Steuerfestsetzung erkannt haben mochte, davon ausgehen durfte, dass die FinB die Festsetzung wie gesetzlich vorgesehen ändern würde. Für das Kindergeld enthält § 68 Abs. 1 EStG eine eigenständige, § 153 Abs. 1 AO vergleichbare Regelung. Danach sind für die Leistung erhebliche Änderungen der Verhältnisse der Familienkasse unverzüglich mitzuteilen. Für das Zollrecht gelten ausschließlich die Regelungen des UZK.