Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 111
Derjenige, der die falschen Angaben macht, handelt nicht tatbestandsmäßig, was der Hintermann vorsätzlich ausnutzt. Denkbar ist das bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nur, wenn derjenige, der die eigene Erklärung abgibt, nicht vorsätzlich handelt, insb. nicht weiß, dass die von ihm gemachten Angaben falsch sind.
Beispiel 4
Der Angeklagte ließ – unter Tarnwaren verborgen – unversteuerte und unverzollte Zigaretten in Containern von Zypern über die Bundesrepublik nach Tschechien befördern. Mit dem Transport beauftragte er Spediteure, die gutgläubig die in den Frachtpapieren ausschließlich ausgewiesene Containerware ohne die Zigaretten zum gemeinschaftlichen Versandverfahren anmeldeten.
Der BGH bejahte den Tatbestand des gewerbsmäßigen Schmuggels (§ 373 AO) in mittelbarer Täterschaft durch die Einschaltung der Spediteure als gutgläubige Werkzeuge. Er ließ es dabei dahingestellt, ob der Angeklagte bereits selbst als Verbringer (Art. 40, Art. 4 Nr. 19 ZK; zur Gestellungspflicht jetzt Art. 139 Abs. 1 UZK) durch Nichtgestellung der Zigaretten bei der Überführung aus dem Freihafen ins Zollgebiet (vgl. Art. 38 Abs. 1 Buchst. a ZK; zur Beförderung zum zugelassenen Ort jetzt Art. 135 Abs. 1 UZK) die Unterlassungsvariante nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt hatte oder ob durch die Abgabe der falschen Versandanmeldungen der Begehungstatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB gegeben war (vgl. auch Rz. 83, 88).
Beispiel 5
"Als kaufmännischer Vorstand [...] bewirkte der Mitangekl. Fe. durch die firmeninterne Weiterleitung der vom Angekl. S. hierzu vorgelegten 44 Rechnungen, dass die in diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer bei Abgabe der jeweiligen Umsatzsteuererklärungen der Siemens AG als Vorsteuer geltend gemacht und die jeweiligen Nettobeträge als Betriebsausgaben bei den Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen in Abzug gebracht wurden. Nach Auffassung des LG verstießen die Zahlungen mit dem Verwendungszweck AUB gegen § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und unterlagen daher dem ertragsteuerlichen Abzugsverbot des § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG. Ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen sei nicht gem. § 15 Abs. 1 SGG zulässig gewesen, weil die in Rechnung gestellten Leistungen nicht erbracht worden seien. Indem der Mitangekl. Fe. die Rechnungsbeträge ohne Hinweis auf die fehlende Abzugsfähigkeit firmenintern weiterleitete, bewirkte er für die Netto-Rechnungsbeträge einen unzulässigen Betriebsausgabenabzug im Sinne von § 4 Abs. 5 EStG und hinsichtlich der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer einen nicht gerechtfertigten Vorsteuerabzug."
Nicht erörtert wird hier, ob diejenigen, die die relevanten Steuererklärungen, in denen die Bestechungsgelder zu Unrecht steuermindernd berücksichtigt wurden, in den Rechtsverkehr gaben (s. Rz. 107 ff.), gut- oder bösgläubig waren. Bei Gutgläubigkeit liegt unproblematisch mittelbare Täterschaft vor; bei Bösgläubigkeit ist Fe. Täter, wenn er als Bereichsvorstand die aus § 34 AO folgende Pflicht hat (s. Rz. 291 ff.), den Eintritt eines Steuerverkürzungserfolgs durch Mitteilung der steuererheblichen Tatsachen zu verhindern (s. Rz. 102, 112 ff., insb. Rz. 112.5).
Rz. 111.1
Fehlt es hingegen an Merkmalen des objektiven Tatbestands des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, kann auch keine mittelbare Täterschaft einer vollendeten Steuerhinterziehung vorliegen. Tritt der Steuerverkürzungserfolg nicht ein oder wird ein nicht gerechtfertigter Steuervorteil nicht erlangt, kann allerdings versuchte Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft nach § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AO, §§ 22, 23, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu bejahen sein.