Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 114
Die Tatsache, dass ein steuerlicher Berater in den Gesamtvorgang der Steuerhinterziehung eingeschaltet ist, reicht zur Bejahung von Mittäterschaft nicht aus. Denn die Mitbeherrschung des Geschehens muss sich auf die Tathandlung beziehen. Der Mittäter muss gemeinsam mit einem anderen (Mit-)Herrschaft über die inhaltliche Gestaltung und die Abgabe der unrichtigen steuerlichen Erklärungen haben. Der steuerliche Berater muss (Mit-)Urheber der unrichtigen oder unvollständigen Erklärung sein und die Erklärung insgesamt mittragen (zur gemeinsamen Einkommensteuererklärung bei Ehegatten s. Rz. 115 ff.). Denn nur dann werden die Angaben im Rechtsverkehr auch als seine Angaben angesehen (s. Rz. 113.8). Ein steuerlicher Berater oder ein die Steuererklärung vorbereitender Angestellter gibt aber weder nach außen hin erkennbar noch verdeckt eigene Erklärungen ab. Mittäter ist er nur dann, wenn seine eigenen Falschangaben mit solchen des anderen Mittäters zusammen den Hinterziehungserfolg herbeiführen oder von vornherein eine gemeinsame Erklärung abgegeben wird, die diesen Erfolg hat (s. Rz. 113.8).
Eine solche Herrschaft kommt dem steuerlichen Berater in aller Regel nicht zu. Denn die Herrschaft darüber, mit welchem Erklärungsinhalt eine Steuererklärung in den Rechtsverkehr gegeben wird oder nicht, liegt allein bei seinem Mandanten. Egal wie ausgeklügelt Gestaltungsempfehlungen sein mögen, um den relevanten steuerlichen Vorfall zu verschleiern, die (Mit-)Entscheidungsgewalt darüber, ob richtige oder unrichtige Angaben gemacht werden, erhält der Berater dadurch nicht. Die Erklärung ist im Rechtsverkehr nicht seine, sondern allein die des Mandanten (s. Rz. 113.8, 107.4).
"Durch die Einreichung der vom Steuerpflichtigen unterzeichneten Steuererklärung hat nicht der Steuerberater, sondern der Steuerpflichtige entsprechend seiner steuerrechtlichen Verpflichtung Angaben gegenüber dem FA gemacht. Es ist seine Erklärung, für die er mit seiner Unterschrift die Verantwortung übernommen hat, nicht die des Steuerberaters. Dies gilt selbst im Falle eines sog. Mitwirkungsvermerks des Steuerberaters, weil sich die Mitwirkung bei der Anfertigung der Steuererklärung auf die Vorbereitung der Steuererklärung des Steuerpflichtigen beschränkt und eine vom Steuerberater gegenüber seinem Mandanten geschuldete und erbrachte Leistung darstellt".
Rz. 114.1
Es mag sein, dass falsche Angaben für den die Erklärung Abgebenden attraktiv werden, weil sie durch die Verschleierung des Beraters nur schwer(er) aufgedeckt werden können. Das aber ist eine typische Anstiftungs- oder Beihilfehandlung bzw. Begünstigung nach § 257 StGB (s. § 369 Rz. 66 ff.). Derjenige, der die Erklärung abgibt, kann ohne weiteres auch noch so komplizierte Gestaltungsempfehlungen, die der unrichtigen Erklärung zugrunde liegen, in der Steuererklärung offenlegen und beherrscht damit die Tathandlung und den Eintritt des Hinterziehungserfolgs allein.
Das gilt insb. auch dann, wenn die Grundlage der unrichtigen Steuererklärung ein vom steuerlichen Berater (oder betrieblichen Angestellten) erstellter, unrichtiger Jahresabschluss ist. Zwar ist nach § 60 Abs. 1 EStDV in den Fällen, in denen der Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 oder § 5a EStG ermittelt wird, eine Abschrift der Bilanz und ggf. eine Gewinn- und Verlustrechnung bzw. nach § 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV die Steuerbilanz der Steuererklärung beizufügen. Diese Bilanz ist aber keine Erklärung des Steuerberaters, sondern eine solche desjenigen, für den sie gefertigt wird und der zu ihrer Aufstellung verpflichtet ist. Das belegt schon die Strafandrohung des § 331 Nr. 1 HGB.
Beispiel
Buchhalter B führt auf Anweisung des Unternehmers die Lohnkonten falsch, so dass zu niedrige Lohnsteueranmeldungen abgegeben werden.
Gibt B die Anmeldungen nicht selbst als seine Erklärung ab, wird er nicht dadurch zum Mittäter, dass es ihm überlassen bleibt, welche falschen Buchungen im Einzelfall vorgenommen werden, und zwar auch dann nicht, wenn er die Höhe des bezüglich des einzelnen Lohnempfängers hinterzogenen Betrags selbst bestimmt. Denn die Entscheidung, welche Erklärung mit welchem Inhalt bei der FinB abgegeben wird, liegt allein bei dem, der die Erklärung als seine einreicht, nicht bei demjenigen, der sie vorbereitet (s. Rz. 107.4).
Die Annahme des BGH, es liege Mittäterschaft vor, wenn ein Steuerberater im Einvernehmen mit seinem Mandanten dessen betriebliche Gewinne verschleiert, ist in dieser Allgemeinheit deshalb unzutreffend.
Rz. 114.2
Es reicht zur Bejahung von Mittäterschaft ebenfalls nicht aus, dass der Täter die Tat ohne die im Vorfeld geleistete Unterstützung eines anderen unterlassen hätte. Die Möglichkeit, die Tat durch Verweigerung einer Unterstützung verhindern zu können, genügt nicht, um Mitherrschaft darüber anzunehmen, dass die Tat tatsächlich begangen wird. Denn ansonsten wäre jeder Anstifter als Täter anzusehen, da er den Tatentschluss beim Täter (erst) hervorruft und die Tat som...