Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
(1) Steuerliche Voraussetzungen
Rz. 1673
Für Versicherungsverträge, die zwischen dem 1.1.2005 und dem 31.3.2009 geschlossen wurden, gilt nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG Folgendes:
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört
"der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge (Erträge) im Erlebensfall oder bei Rückkauf des Vertrags bei Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht, soweit nicht die Rentenzahlung gewählt wird, und bei Kapitalversicherungen mit Sparanteil, wenn der Vertrag nach dem 31. Dezember 2004 abgeschlossen worden ist. [2]Wird die Versicherungsleistung nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Steuerpflichtigen und nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt, ist die Hälfte des Unterschiedsbetrags anzusetzen. [3]Die Sätze 1 und 2 sind auf Erträge aus fondsgebundenen Lebensversicherungen entsprechend anzuwenden."
Rz. 1674
Vereinfacht ausgedrückt ist damit bei Auszahlung der Differenzbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der gezahlten Beiträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig. Hat der Versicherungsnehmer das 60. Lebensjahr vollendet und hat die Versicherung 12 Jahre bestanden, ist nur die Hälfte des oben genannten Differenzbetrags steuerpflichtig, zum persönlichen Steuersatz. Sind die Voraussetzungen (60. Lebensjahr/12 Jahre Haltedauer) nicht erfüllt und erfolgt die Auszahlung nach dem 1.1.2009, gilt die Abgeltungsteuer. Alternativ kann der Stpfl. auch die Versteuerung mit dem persönlichen Steuersatz beantragen. Im Gegensatz zu Lebensversicherungsverträgen, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurden, werden damit die erwirtschafteten Erträge im Erlebensfall und bei vorzeitiger Auszahlung versteuert.
Rz. 1675
Neben den gesetzlichen Mindestanforderungen, die § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG aufstellt, bedarf es nach den Anforderungen der Finanzverwaltung für die steuerliche Privilegierung ferner einer Vermögensanlage mit Versicherungscharakter. Für die Abgrenzung, ob eine Vermögensanlage mit oder ohne Versicherungscharakter vorliegt, stellt die Finanzverwaltung dann darauf ab, ob eine "nennenswerte Risikotragung" vorliegt. Für eine Vermögensanlage mit Versicherungscharakter ist demnach erforderlich, dass ein wirtschaftliches Risiko abgedeckt wird, das aus der Unsicherheit oder Unberechenbarkeit des menschlichen Lebens für den Lebensplan des Menschen erwächst (Todesfallrisiko für die Gefahr des Todes oder Langlebigkeitsrisiko für die ungewisse Lebensdauer).
Rz. 1676
Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist das Merkmal der "nennenswerten Risikotragung" insbesondere dann nicht erfüllt, wenn bei Risikoeintritt nur eine Leitung der angesammelten und verzinsten Sparanteile zzgl. einer Überschussbeteiligung vereinbart ist.
Rz. 1677
Eine weitere Konkretisierung des Begriffs "nennenswerte Risikotragung" enthält die Verwaltungsanweisung des BMF jedoch nicht. Auch die gesetzliche Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG enthält keine weitergehende Konkretisierung des Begriffs. Vielmehr enthält die Verwaltungsanweisung des BMF lediglich die Klarstellung, dass die bisherigen Regelungen zum Mindesttodesfallschutz bei kapitalbildenden Lebensversicherungen nicht mehr anwendbar sind.
Rz. 1678
Für Versicherungsverträge, die zwischen dem 1.1.2005 und dem 31.3.2009 geschlossen wurden, besteht damit – mangels gesetzlicher Regelung oder Anhaltspunkten für eine bestimmte Auslegung der Verwaltungsanweisung – die besondere Schwierigkeit der Bestimmung des erforderlichen Mindesttodesfallschutzes, um im Ergebnis das Merkmal der "nennenswerten Risikotragung" und damit die Voraussetzungen für das Vorliegen einer steuerlichen Privilegierung eines Lebensversicherungsvertrags bejahen zu können.
Rz. 1679
Zur Konkretisierung könnte die Definition der deutschen Versicherungsaufsicht aus dem Jahr 1990 als Ausgangspunkt für die Auslegung des Begriffs der "nennenswerten Risikotragung" herangezogen werden. Danach ist für fondsgebundene Lebensversicherungen, die auf dem deutschen Markt vertrieben und gegen Zahlung eines Einmalbetrags abgeschlossen werden, eine Mindesttodesfallleistung i.H.v. 10.000 DM, d.h. 5.113 EUR erforderlich. Die Untergrenze wurde bis heute nicht aufgehoben und gilt daher auch weiterhin fort.
Rz. 1679.1
Da sich bei Zugrundelegung der vorgenannten Untergrenze allerdings ein Missverhältnis bei hohen Einmalbeträgen zwischen der Höhe der gewährten Todesfalldeckung und dem Einmalbetrag ergibt, ist m.E. für die Konkretisierung des Mindesttodesfallschutzes für Versicherungsverträge, die zwischen dem 1.1.2005 und dem 31.3.2009 geschlossen wurden, zutreffenderweise auf einen festen Prozentsatz i.H.v. 101 % des aktuellen Wertes des Deckungsstocks abzustellen.