Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
aa) Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit
Rz. 1790
In den bekannten Cum-Ex-Verfahren sind auch die rechtlichen und steuerlichen Berater in den Fokus gerückt. Anknüpfungspunkt einer Strafbarkeit dieser Personen kann insbesondere die Beratung im Zusammenhang mit der Auflage einer Leerverkaufsgestaltung (z.B. in Form eines Fonds) oder die Mitwirkung bei einer Steuererklärung, mit der durch Vorlage einer objektiv unrichtigen Steuerbescheinigung zu Unrecht die Erstattung bzw. Anrechnung von Kapitalertragsteuer beantragt wird.
bb) Steuerrechtliche Gestaltungsberatung
Rz. 1791
Als Gehilfenhandlung (oder ggf. Anstifterhandlung) kommt zunächst die Mitwirkung an der Gestaltung eines Cum-Ex-Konzepts in Betracht. Ein objektives Fördern der – unterstellten – Haupttat ist auch nicht von der Hand zu weisen. Allerdings dürfte regelmäßig sehr fraglich sein, ob der Berater Kenntnis von dem vollständigen tatsächlich verwirklichten oder geplanten Sachverhalt hat. In dem Fall, dass er lediglich eine ihm beschriebene Struktur zu begutachten hat, wäre genau zu prüfen, ob die später umgesetzte Struktur tatsächlich dem Sachverhalt entspricht, der dem Gutachten zugrunde gelegt wurde. Nicht zuletzt angesichts der seinerzeit (und bis heute) unklaren Rechtslage wird ein vorsätzliches Verhalten eher schwierig nachzuweisen sein.
Eine strafbare Beihilfe kommt allerdings dann in Betracht, wenn der Berater erkannt hat, dass ihm ein unvollständiger oder verfälschter Sachverhalt zur Begutachtung vorgelegt wurde. Hat ein Berater von der Förderung einer rechtswidrigen Haupttat zwar keine Kenntnis, sondern allenfalls bedingt vorsätzlich gehandelt, rückt die Frage in den Fokus, ob die Beratung noch als äußerlich neutrale und berufstypische Handlung angesehen werden kann. Nach der Rspr. verliert das Handeln u.a. dann seinen Alltagscharakter, wenn es der Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters dient, was Tatsachenfrage des Einzelfalls ist. Eine Beratung ist jedenfalls dann nicht mehr "berufsneutral", wenn ihr evident der Zweck der Förderung einer Straftat zugrunde liegt. Befürwortet ein Berater daher eine Gestaltung, die allein dann wirtschaftlich Sinn ergibt, wenn es zum Erhalt ungerechtfertigter Steuervorteile kommt, ist eine Beihilfestrafbarkeit möglich. Beim Handeln eines Rechtsanwalts ist indes stets zu berücksichtigen, dass dessen Bewusstsein und Wille regelmäßig darauf gerichtet sind, pflichtgemäß Rat zu erteilen, und nicht etwa darauf, eine Straftat zu fördern.
cc) Mitwirkung bei der Steuererklärung
Rz. 1792
Eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1, § 369 Abs. 2 AO; § 27 StGB des steuerlichen Beraters, der an der Steuererklärung mitwirkt, wozu auch die Vorlage der Steuerbescheinigung gehört, ist grds. denkbar, scheidet jedoch m.E. regelmäßig mangels Vorsatzes aus. Ferner macht sich der Steuerberater, der im Nachhinein die Unrichtigkeit eines Kapitalertragsteuererstattungsantrags, an dem er mitgewirkt hat, erkennt, nicht wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2, § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO strafbar. Den Steuerberater trifft keine Korrekturpflicht aus § 153 AO in Bezug auf von ihm vorbereitete Steuererklärungen seines Mandanten.
dd) Verhalten im Rahmen der Aufarbeitung
Rz. 1793
Die Cum-Ex-Geschäfte liegen nun mehrere Jahre zurück, in denen sich sowohl die Behörden als auch die Unternehmen mit der Aufarbeitung der Sachverhalte befasst haben. Grundsätzlich können auch im Rahmen dessen falsche Angaben, beispielsweise in einer Außenprüfung, gemacht werden, die tatbestandlich sein können (vgl. Ransiek oben Rz. 211). Jedoch wird das Betreiben eines Aufarbeitungsprozesses regelmäßig gegen einen Willen vorsätzlichen Handelns sprechen. Die h.M. nimmt bei der mehrfachen Begehung eine mitbestrafte Nachtat an.
e) Strafbarkeit weiterer Personen
Rz. 1794
Schließlich kommt eine Strafbarkeit bspw. der Initiatoren von Leerverkaufsgestaltungen oder von Bankmitarbeitern, die in den Vertrieb solcher Produkte einbezogen waren, wegen Anstiftung oder Beihilfe zu Steuerhinterziehungen der Kunden in Betracht. Zudem sind Konstellationen der Beihilfe durch Unterlassen durch die jeweiligen Vorgesetzten denkbar. Auch in diesem Bereich wird sich vertieft mit dem subjektiven Tatbestand und insbesondere mit der Frage einer berufsneutralen Handlung auseinanderzusetzen sein.
f) Einziehung
Rz. 1795
Die Cum-Ex-Problematik wirft auch Fragen im Hinblick auf die Einziehung erlangter Tater...