Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Schrifttum:
Bilsdorfer, Die Steuerhinterziehung auf Zeit, in DStJG 6 (1983), S. 155; Dörn, Die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen – ein abstraktes Gefährdungsdelikt, wistra 1992, 129; Dörn, Vollendete Steuerhinterziehung bei Schätzungsmöglichkeit des Finanzamts?, DStZ 1994, 494; Dörn, Steuerhinterziehung durch Unterlassen?, 2001; Grunst, Steuerhinterziehung durch Unterlassen, 1996; Hentschel, Strafrechtliche Beurteilung der Umsatzsteuerhinterziehung, UR 1999, 476; Hilgers, Täuschung und/oder Unkenntnis der Finanzbehörde – notwendige Voraussetzung der Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung?, Diss. Köln, 1985; Hoff, Das Handlungsunrecht der Steuerhinterziehung, 1999; Kohlmann, Steuerstrafrecht in der Bewährung, wistra 1982, 2; Lang, Steuerrecht und Tatbestand der Steuerhinterziehung – Zum 70. Geburtstag von Günter Kohlmann, StuW 2003, 289; Schmitz, Unrecht und Zeit, 2001; Tiedtke, Umsatzsteuerbetrug in Theorie und Praxis, UR 2004, 6; Vogelberg, Die Steuerverkürzung auf Zeit, ZAP 1999 Fach 21, 195.
Rz. 493
Die Bejahung des tatbestandlichen Erfolgs der Steuerhinterziehung setzt keinen endgültigen wirtschaftlichen Schaden des Fiskus voraus (s. Rz. 393 ff.). Jede nach Aufdeckung einer Steuerstraftat in den zeitlichen Grenzen des § 169 Abs. 1 Satz 2 AO festgesetzte und eingetriebene Steuer führt dazu, dass ein endgültiger Schaden gerade nicht vorliegt; die Aufdeckung der Tat mit ihren steuerlichen Folgen kann aber nicht gleichzeitig dazu führen, dass die Tat rückwirkend wieder entfällt. Ist die Festsetzungsfrist des § 169 AO hingegen abgelaufen und die Steuer tatsächlich auf Dauer entzogen, wird i.d.R. die Strafverfolgungsverjährung nach § 78 Abs. 3 StGB bzw. § 376 AO (s. ausführlich § 376 Rz. 51 ff.) eingetreten sein, so dass die (objektive) Endgültigkeit des Schadens auch insofern irrelevant ist, da ein Steuerstrafverfahren gar nicht mehr stattfinden kann.
Rz. 494
Aus objektiver Sicht sind also alle verfolgbaren Steuerverkürzungen Verkürzungen auf Zeit. In diesen Fällen liegt aber nicht nur ein bloßer Verspätungsschaden vor, wenn die Steuer schließlich doch noch erhoben werden kann. Es ist rechtlich irrelevant, dass die vom Täter hinterzogene Steuer ohne sein Zutun durch Aufdeckung der Tat noch eingetrieben wird; Gleiches gilt etwa, wenn das Opfer eines Betruges den ihm abgeschwindelten Betrag als Schadensersatz zurückerhält. Das ist nur dann anders und entweder für § 371 AO oder die Strafzumessung relevant, wenn die Vermeidung eines endgültigen Schadens dem Täter als ihm zuzurechnender Erfolg zugutegehalten werden kann.
Rz. 495
Als Steuerverkürzung auf Zeit wurden deshalb auch bislang nur diejenigen Fälle angesehen, in denen der Täter subjektiv die Steuer durch eine unrichtige oder unterlassene Erklärung nicht auf Dauer, sondern lediglich für eine gewisse Zeit verkürzen wollte (s. auch Rz. 1358 f. m.w.N.), so dass der gewollte Erfolg "nur" eine nicht rechtzeitige Festsetzung oder Anmeldung war. Geltend gemacht wird, dass in solchen Fällen lediglich ein Verspätungsschaden, nicht hingegen eine mengenmäßige Verringerung des Steuerertrags, eintritt, so dass sich der Umfang des tatbestandsmäßigen Erfolgs aus dem Verspätungsschaden errechnet, den der Täter durch die Tathandlung herbeiführt und als eigenen Vorteil erlangt. Für diese Sicht spricht, dass zwischen der nicht rechtzeitigen Festsetzung und der Nichtfestsetzung einer Steuer in § 370 Abs. 4 Satz 1 AO unterschieden wird. Eine nur verspätete Festsetzung kann also nicht dem vollständigen Verlust der Steuer gleichgesetzt werden.
Rz. 496
Auch in diesen Fällen liegt allerdings auf der Hand, dass allein die bloße Behauptung des Täters, er habe die durch unrichtige oder unterlassene Angaben hinterzogene Steuer später doch noch nachentrichten wollen, regelmäßig kein überzeugendes Argument ist, einen bloßen Verspätungsschaden anzunehmen, wenn es objektiv keinerlei Anhaltspunkte für ein solches Vorhaben des Täters gibt. Die Diskussion konzentriert sich deshalb auf die Steuern, bei denen im Anschluss an die den Erfolg herbeiführende Tathandlung eine weitere steuerliche Erklärung des Täters vorgesehen ist, insb. die Jahressteuererklärung bei der Umsatzsteuer. Nach der gesetzlichen Konzeption stellt die Voranmeldung der Umsatzsteuer nur eine vorläufige Erklärung dar, die es rechtfertigen könnte, das Unrecht der durch eine unrichtige oder unterlassene Voranmeldung und das durch die unrichtige Jahreserklärung herbeigeführte Unrecht im Umfang zu unterscheiden. Allerdings führt auch hier die unrichtige Jahreserklärung nicht zu einer endgültigen Steuerverkürzung (s. Rz. 493 f.).
Rz. 497
Die Rspr. ging davon aus, dass erst die Abgabe der falschen Umsatzsteuerjahreserklärung die endgültige Steuerverkürzung bewirkt, der Erfolg einer unrichtigen oder unterlassenen Voranmeldung hingegen in der Steuerverkürzung auf Zeit liege. Gleiches galt für Lohnsteueranmeldungen (s. Rz. 13...