Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1418
Bei der Strafzumessung im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellen kann der Gesamtschaden, der in dem Überschuss von gezogener Vorsteuer im Vergleich zu gezahlter Umsatzsteuer besteht, bei den Personen, die sich bewusst in entsprechende Systeme einbinden lassen, strafschärfend berücksichtigt werden. Bei der Bestimmung des Schuldumfangs von in der Kette nachfolgenden Gehilfen ist jedoch zu bedenken, dass der von dem Täter schon verursachte Steuerschaden sich in ihrem Verhalten nur fortsetzt und sich allenfalls vergrößert. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass das Steueraufkommen nicht in der Summe der beiden Hinterziehungshandlungen gefährdet ist, sondern lediglich im Umfang des jeweils höheren Hinterziehungsbetrags. Schon aus Vereinfachungsgründen hält es der BGH für gerechtfertigt, das Verfahren auf die täterschaftliche Steuerhinterziehung zu beschränken und insoweit den steuerlichen Gesamtschaden lediglich als Gesichtspunkt in die Strafzumessung einzustellen, weil der Tatrichter sich damit nicht nur eine im Einzelfall schwierige Abschichtung des jeweils eigenständigen Schuldumfangs der miteinander verzahnten Taten erspare, sondern auch zusätzliche Feststellungen zu den Steuererklärungen der übrigen Beteiligten des Umsatzsteuerkarussells.
Diese pauschale und vereinfachte Betrachtung ist durchaus kritikwürdig und enthebt die Gerichte nicht von ihrer Verpflichtung zur sorgfältigen Subsumtion.
Rz. 1418.1
Nicht automatisch entspricht die bandenmäßige Begehungsweise im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussells (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO) in der Struktur des Zusammenschlusses dem einer kriminellen Vereinigung genügenden Organisationsgrad. Eine kriminelle Vereinigung i.S.d. § 129 StGB setzt die Unterordnung unter einen Gruppenwillen voraus, der bloße Wille mehrerer Personen, gemeinsam Straftaten zu begehen, genügt dazu noch nicht. Die Anwendung des § 129 StGB auf organisierte Steuerstraftaten ist damit nicht ausgeschlossen. Im Hinblick auf den durch das 34. StrÄndG vom 22.8.2002 eingeführten § 129b StGB i.V.m. § 370 Abs. 6 und Abs. 7 AO kann dies nunmehr auch für bestimmte unselbständige deutsche Teilorganisationen einer ausländischen kriminellen Vereinigung gelten.
Rz. 1419
Die bandenmäßige Umsatzsteuerverkürzung stellt nach § 100a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a StPO i.V.m. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO eine schwere Straftat nach § 100a Abs. 1 Nr. 1 StPO dar. Damit ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO eine Telefonüberwachung zulässig. Daneben ist ebenso der Einsatz verdeckter Ermittler (§ 110a Abs. 1 Nr. 3, 4 StPO) zulässig. Zu den sich aus Art. 13 GG ergebenden Anforderungen an Durchsuchungsbeschlüsse wegen des Verdachts auf Beteiligung an einem Umsatzsteuerkarussell vgl. den BVerfG-Beschluss vom 3.4.2007.