Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Schrifttum:
Bergmann, Zeitliche Geltung und Anwendbarkeit von Steuerstrafvorschriften, NJW 1986, 233; Felix, Von den Grenzen der Rückwirkungen im Steuerrecht, KÖSDI 1981, 4178; Franzheim, Parteispenden – Steuerhinterziehung – Straffreiheit?, NStZ 1982, 138; Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, Bestrafung wegen Hinterziehung verfassungswidriger Steuern?, wistra 1998, 161; Kunert, Zur Rückwirkung des milderen Strafgesetzes – Nicht nur ein Beitrag zur Parteispendenaffäre, NStZ 1982, 276; Rüping, Blankettnormen als Zeitgesetze, NStZ 1984, 450; Samson, Möglichkeiten der legislativen Bewältigung der Parteispendenproblematik, wistra 1983, 235; Schwedhelm/Wulf, Wirksame strafbefreiende Erklärung für steuerliche Sachverhalte aus dem Jahr 2002?, DStR 2005, 1167; Tiedemann, Die gesetzliche Milderung im Steuerstrafrecht, 1985; Tiedemann, Das Parteienfinanzierungsgesetz als strafrechtliche lex mitior, NJW 1986, 2475; Tiedemann, Die Parteispenden-Entscheidung des BGH, NJW 1987, 1247; Ulsamer/Müller, Steuerstrafrechtliche Konsequenzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zum Vermögensteuergesetz, wistra 1998, 1; Ulsenheimer, Das Madaus-Urteil des AG Köln – Leitpfad oder Irrweg im Dickicht der Parteispendenaffäre?, NJW 1985, 1934.
1. Zur Zeit der Tat geltendes Gesetz (§ 2 Abs. 1 StGB)
Rz. 60
Nach § 2 Abs. 1 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO richten sich die Strafe und die Nebenfolgen nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat (§ 8 StGB) gilt (Tatzeitprinzip). Das darin liegende Rückwirkungsverbot ist verfassungsrechtlich durch Art. 103 Abs. 2 GG und durch Art. 7 Abs. 1 EMRK abgesichert, wodurch dem Gesetzgeber der Erlass rückwirkender Strafgesetze zu Lasten des Täters verwehrt ist (s. Rz. 25, 29 ff.). Das Rückwirkungsverbot gilt einfachgesetzlich nach § 2 Abs. 5 StGB auch für Einziehung und Unbrauchbarmachung, dagegen nach § 2 Abs. 6 StGB nicht für Maßregeln der Besserung und Sicherung, die nicht dem Schuldausgleich, sondern der präventiven Gefahrenabwehr dienen. Die h.M. geht davon aus, dass insofern verfassungsrechtlicher Schutz nach Art. 103 Abs. 2 GG nicht besteht (s. Rz. 29.1). Der Gesetzgeber ist deshalb nicht ausnahmslos gehindert, rückwirkend die Geltung einer schärferen Einziehungsregelung anzuordnen (zum Schutz vor Rückwirkung aus Art. 20 Abs. 3 GG s. Rz. 29.3).
Rz. 61
Eine Tat ist in dem Zeitpunkt begangen, in dem der Täter die für die Verwirklichung des Tatbestands entscheidende Handlung ausgeführt hat, bzw. – bei pflichtwidrig unterlassener Handlung – spätestens hätte handeln müssen (§ 8 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO).
Rz. 62
Für die Strafbarkeit wegen Teilnahme an einer Steuerhinterziehung kommt es nach der ausdrücklichen Regelung des § 8 Satz 1 StGB auf den Zeitpunkt der Begehung der Beihilfehandlung, nicht auf den Zeitpunkt der Begehung der Haupttat an. Der Zeitpunkt der Beihilfehandlung kann deshalb ggf. ganz erheblich vor Begehung der eigentlichen Steuerstraftat liegen (zur Beihilfe durch Bankmitarbeiter s. § 369 Rz. 66 ff. und Rz. 153 ff.) Für die Teilnahme an einer gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370a AO a.F. war es deshalb bspw. erforderlich, dass nicht nur die Haupttat, sondern auch die Teilnahmehandlung nach Inkrafttreten des § 370a AO a.F. begangen wurde.
2. Gesetzesänderung bei Begehung der Tat (§ 2 Abs. 2 StGB)
Rz. 63
Nach § 2 Abs. 2 StGB ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt, wenn die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert wird. Diese Vorschrift ist nur für die sog. Dauerdelikte (bspw. die Freiheitsberaubung nach § 239 StGB) von Bedeutung, da ansonsten praktisch nicht vorstellbar ist, dass sich die Gesetzeslage ändert, während der Täter die Tathandlung i.S.d. § 8 StGB ausführt. Mit Beendigung i.S.d. § 2 Abs. 2 StGB ist der tatsächliche Abschluss der Tathandlung gemeint, nicht die Beendigung der Tat i.S.d. § 78a StGB, nach dessen Satz 2 der Eintritt des zum Tatbestand gehörenden Erfolgs entscheidend ist. Nach Aufgabe der Rechtsfigur der "fortgesetzten Tat" im Steuerstrafrecht, die es ermöglichte, mehrere einzelne, ggf. über einen längeren Zeitraum begangene Steuerhinterziehungen zu einer einzigen Steuerstraftat zusammenzufassen (s. Rz. 874), dürfte § 2 Abs. 2 StGB nunmehr für § 370 AO ohne Bedeutung sein.
3. Gesetzesänderung vor der strafgerichtlichen Entscheidung und Zeitgesetz (§ 2 Abs. 3 und 4 StGB)
a) Allgemeines
Rz. 64
Nach § 2 Abs. 3 StGB ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das Gesetz,...