Rz. 677

[Autor/Stand] Aus dem Erlass von Schätzungs- und Haftungsbescheiden geht noch nicht hervor, dass der FinB eine Steuerverkürzung bekannt ist[2].

 

Beispiel 65

A gab für 1967 keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Er ließ sich vielmehr schätzen und zahlte die geschätzten Beträge. Für 1967 setzte die FinB 3.120 DM Umsatzsteuer fest, während in Wirklichkeit 9.139 DM zu zahlen gewesen wären. Außerdem behielt A Lohnsteuern ein, indem er nur Nettolöhne auszahlte. Er gab für 1966 und 1967 keine Lohnsteueranmeldungen ab und führte die einbehaltenen Beträge auch nicht an die FinB ab. Er ließ Haftungsbescheide über insgesamt 340 DM ergehen, während tatsächlich 4.724,31 DM Lohnsteuer angefallen waren. Am 14.3.1968 erstattete A Selbstanzeige und zahlte fristgemäß die hinterzogenen Steuern nach. LG und BayObLG erkannten ihm gem. § 371 AO Straffreiheit zu.

Zwar gebe, so das BayObLG, die Tatsache, dass ein Stpfl., der die erforderlichen Anmeldungen zur Umsatzsteuer und Lohnsteuer unterlässt, zu der Vermutung Anlass, dass er etwas zu verbergen hat. Als Tatentdeckung könne eine solche Vermutung aber erst dann gewertet werden, wenn sie sich zum konkreten Verdacht einer Steuerhinterziehung verdichtet habe, wozu mehr erforderlich sei als die bloße Tatsache, dass der Stpfl. die erforderlichen Erklärungen nicht abgegeben hat und darauf die Umsatzsteuer im Wege der Schätzung festgesetzt wurde und hinsichtlich der Lohnsteuerhaftungsbescheide ergingen. Die notwendigen Erklärungen könne der Stpfl. nämlich aus verschiedenen, auch steuerstrafrechtlich irrelevanten Gründen unterlassen haben. Die Umsatzsteuerfestsetzung im Schätzwege und der Erlass von Lohnsteuerhaftungsbescheiden seien Maßnahmen des Besteuerungsverfahrens, die der Durchsetzung des Steueranspruchs dienen, ohne dass aus ihnen schon hervorginge, dass der Behörde eine Steuerverkürzung bekannt wäre[3].

 

Rz. 678

[Autor/Stand] Auf einen Verkürzungsvorsatz kann insb. dann nicht geschlossen werden, wenn die Pflicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen betriebsintern delegiert war[5]. Zur Frage des Vorsatznachweises bei Abschlusszahlungen im Anschluss an die Nichtabgabe von Steuererklärungen s. näher Dörn[6].

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[2] So auch Kohler in MünchKomm/StGB3, § 371 AO Rz. 278; Jäger in Klein15, § 371 AO Rz. 164; Joecks in JJR8, § 371 AO Rz. 308.
[3] Vgl. auch OLG Celle v. 24.1.1984 – 1 Ss 367/83, wistra 1984, 116; s. Beispiel bei Rz. 649.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[5] OLG Celle v. 24.1.1984 – 1 Ss 367/83, wistra 1984, 116.
[6] Dörn, Stbg 1997, 339.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge