Rz. 384
Mit dem Ablauf der Zahlungsfrist entscheidet sich die Frage, ob der Täter wegen der von ihm begangenen Steuerhinterziehung zu bestrafen ist. Hat er seine Zahlungspflicht erfüllt, bleibt er straffrei. Hat er bis zu diesem Zeitpunkt nicht gezahlt, so verwirkt er endgültig mit dem Zeitpunkt des Fristablaufs ipso iure die im Gesetz vorgesehene Strafe (zur Wirkung einer teilweisen Zahlung s. nachst. Rz. 404 f.).
Rz. 385
Vor Ablauf der Frist kann das zuständige Strafverfolgungsorgan (BuStra/StA) auf Antrag Fristverlängerung gewähren (s. Rz. 359 f.). Eine nachträgliche Fristverlängerung sieht das Gesetz nicht vor. Dennoch ist in der Praxis die Gewährung einer kurzen Nachfrist nicht unüblich. Dieses Vorgehen wird man jedenfalls dann noch für vertretbar halten können, wenn ein rechtzeitig vor Fristablauf gestellter Antrag auf Fristverlängerung von der FinB erst nach Ablauf der Zahlungsfrist abgelehnt wird und der Täter bis dahin die angebotenen Teilzahlungen eingehalten hat. Erst nach Fristablauf eingetretene Umstände, die die Frist als zu kurz erscheinen lassen, sind hingegen unbeachtlich.
Rz. 386
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine Stundung gem. § 222 AO, die vom Veranlagungs-FA ausgesprochen wird, von einer Fristverlängerung gem. § 371 Abs. 3 AO, für die die BuStra/StA zuständig ist, zu unterscheiden ist (vgl. dazu Rz. 367 ff.). Wegen der rechtlichen Unabhängigkeit von steuerlichen Zahlungsfristen soll nach einer Auffassung deshalb generell die Stundung der festgesetzten Steuer die Nachzahlungsfrist nach § 371 Abs. 3 AO nicht verlängern können. Joecks spricht sich dagegen für eine Hemmung der Frist i.S.d. § 371 Abs. 3 AO bis zur Fälligkeit der Steuerschuld aus, weshalb bei gewährter Stundung (§ 222 AO) oder Aussetzung der Vollziehung (§ 361 Abs. 2 AO) der Ablauf der Frist i.S.d. § 371 Abs. 3 AO sich nicht zum Nachteil des Beteiligten auswirken soll. Dem ist jedenfalls für den Fall der Stundung zuzustimmen, da – wie erwähnt (s. Rz. 367 ff.) – im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG eine unterschiedliche steuerrechtliche und strafrechtliche Fristbemessung nicht zu Lasten des Täters gehen darf, so dass eine evtl. eingeräumte längere steuerliche Zahlungsfrist maßgeblich ist. Das in praktischer Hinsicht bestehenden Bedürfnis nach der Koordinierung beider Fristen (s. Rz. 373) kommt auch in Nr. 11 Abs. 5 Satz 3 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 11) zum Ausdruck. Danach dürfen, wenn die Strafbefreiung noch von der Nachentrichtung der Steuern (Anm.: und nun auch der Hinterziehungszinsen) abhängig ist, Fristverlängerung, Stundung, Vollstreckungsaufschub sowie Erlass "nur im Benehmen mit der BuStra" gewährt werden.
Rz. 387
Etwas anderes gilt jedoch für Rechtsmittel, die der Täter gegen die Festsetzung der Steuern oder die Bemessung der Zahlungsfrist eingelegt hat. Sie haben – ungeachtet ihrer Zulässigkeit (s. Rz. 389) – grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung im Hinblick auf die strafrechtliche Fristsetzung. Unter Umständen kann m.E. bei gestelltem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifeln i.S.d. § 361 Abs. 2 Satz 2 AO an der Rechtmäßigkeit der Steuernachforderung – wie es auch der § 396 AO zugrunde liegende Rechtsgedanke der Vermeidung widersprechender Entscheidungen zeigt – ausnahmsweise eine andere Wertung gerechtfertigt sein. Insoweit ist Joecks zuzustimmen, der es in bestimmten Fällen für ermessensfehlerhaft hält, eine so kurze Frist zu setzen, die keine sachgerechte Entscheidung in dem summarischen Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung mehr ermöglicht. Dies kann richtigerweise aber nicht in Fällen von offensichtlich unbegründeten Aussetzungsanträgen gelten, die lediglich mit dem Ziel gestellt werden, die Vollstreckung hinauszuzögern.
Rz. 388
Ohne Bedeutung ist, ob der Täter die Fristversäumnis verschuldet hat (vgl. auch Rz. 54). Das folgt aus dem objektiven Charakter der Straffreiheitsbedingung. Eine Heilung durch entsprechende Anwendung der Bestimmungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO; §§ 44 ff. StPO) kommt nicht in Betracht.
Eine unverschuldete Fristüberschreitung kann bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigt werden, oder, soweit der Schaden ausgeglichen wurde, zu einer Verfahrenseinstellung führen (vgl. § 398 AO).