Rz. 205
Durch den neuen § 371 Abs. 2a AO wurde mit Wirkung zum 1.1.2015 für den Bereich der Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen die Rechtslage vor dem 3.5.2011 wiederhergestellt und die Teilselbstanzeige insoweit wieder zugelassen. Abweichend von dem Vollständigkeitsgebot nach § 371 Abs. 1 AO tritt bei Selbstanzeigen bzgl. Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen Straffreiheit nunmehr wieder in dem Umfang ein, in dem der Täter die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt.
Rz. 206
Der Gesetzeswortlaut ("soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist") könnte dahin gehend verstanden werden, dass Teilselbstanzeigen nur nach nicht fristgemäßer Abgabe wirksam sind, jedoch nicht im Falle der fristgerechten Abgabe einer unrichtigen bzw. unvollständigen Voranmeldung. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich jedoch ausdrücklich, dass der Gesetzgeber sowohl die korrigierte als auch die verspätete Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Lohnsteueranmeldung wieder als wirksame Teilselbstanzeige anerkennen wollte. Eine wirksame Teilselbstanzeige liegt deshalb auch vor, soweit eine zwar rechtzeitig, aber unvollständig abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung korrigiert wird.
Rz. 207
Ferner gewährleistet die gesetzliche Neuregelung, dass auch eine mehrfache Korrektur von Umsatzsteuervoranmeldungen oder Lohnsteueranmeldungen möglich ist. Durch § 371 Abs. 2a Satz 2 AO wird der Sperrgrund der Tatentdeckung ausgeschlossen, wenn die Entdeckung darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Beruht die Entdeckung demgegenüber – unabhängig von der Korrektur durch den Stpfl. – auf anderen Gründen, z.B. weil entsprechendes Kontrollmaterial vorliegt, wird der Sperrgrund der Tatentdeckung nicht aufgehoben.
Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO findet in diesem Zusammenhang ausdrücklich keine Anwendung, so dass bei (Teil-)Selbstanzeigen bzgl. Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen unabhängig von der Höhe der verkürzten Steuer kein Geldbetrag nach § 398a AO zu zahlen ist.
Rz. 208
Die Ausnahme von dem Vollständigkeitsgebot des § 371 Abs. 1 AO ist bzgl. Umsatzsteuer ausdrücklich auf den Bereich der Steuervoranmeldungen (vgl. § 18 Abs. 1 UStG) beschränkt und greift nicht für Umsatzsteuerjahreserklärungen (§ 371 Abs. 2a Satz 3 AO). Insoweit bleibt es bei der bisherigen Rechtslage und den damit verbundenen Anwendungsschwierigkeiten, mit Ausnahme der neuen Regelung in § 371 Abs. 2a Satz 4 AO. Danach sind bei der Korrektur der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Vorjahr nicht auch die Umsatzsteuervoranmeldungen des laufenden Jahres zu berichtigen. Etwaige Unrichtigkeiten in den Umsatzsteuerjahreserklärungen der Vorjahre sind dagegen zwingend zu korrigieren.
Rz. 209
Die Wiedereinführung der Teilselbstanzeige für den Bereich der Umsatzsteuervoranmeldungen sowie Lohnsteueranmeldungen ist ausdrücklich zu begrüßen. Meines Erachtens inkonsequent ist allerdings, dass der Gesetzgeber die Neuregelung nicht auf sämtliche Anmeldesteuern ausgeweitet hat. So besteht im Bereich der Anmeldesteuern die gleiche Problematik bei allen Steuerarten, für die unterjährig Steuer(vor)anmeldungen abzugeben sind. Erfahrungsgemäß besteht insb. bei der Stromsteuer, der Kapitalertragsteuer oder der Versicherungsteuer das gleiche Bedürfnis einer mehrfachen Korrektur von Voranmeldungen. Durch die derzeitige Fassung des § 371 Abs. 2a AO wurden "zwei Klassen" von Anmeldesteuern geschaffen.