Rz. 188
An die Selbstanzeige eines Mittäters oder Teilnehmers sind grundsätzlich die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die eines Alleintäters; d.h. er hat der FinB nicht nur Angaben über die Art und Weise seiner Mitwirkung zu machen, sondern auch über Art und Umfang der Steuern, an deren Hinterziehung er beteiligt war (i.S.d. Erläuterungen in Rz. 159 ff.); inhaltlich hat der Teilnehmer dem FA also anzuzeigen, durch welche Handlung und zu welcher Haupttat des Täters er Anstiftung oder Beihilfe geleistet hat, um damit das FA in die Lage zu versetzen, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln.
Umstritten ist, ob von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen ist, wenn es dem Mittäter oder Teilnehmer faktisch nicht möglich ist, dem FA das entsprechende Zahlenmaterial zu liefern.
Rz. 189
Das OLG Hamburg (nachst. Beispiel) hat es für die Selbstanzeige eines Gehilfen ausreichen lassen, dass er lediglich mitteilt, dass bestimmte Steuererklärungen unrichtig sind.
Beispiel 92
Der Steuerberater S förderte die Steuerhinterziehungshandlungen seines Mandanten M, indem er für diesen falsche Umsatzsteuervoranmeldungen abgab. Später erklärte er in einem Telefongespräch mit dem FA, er habe für M ab Juni 1982 bis einschl. Oktober 1982 unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, da ihm M die erforderlichen Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt habe; er werde unverzüglich die falschen Erklärungen berichtigen, sobald er dazu in der Lage sei.
Nach Ansicht des OLG Hamburg reichte diese Erklärung des A entgegen der Auffassung des vorentscheidenden LG für eine wirksame Selbstanzeige aus:
„[...] Zwar ist nach feststehender Rechtsprechung im Regelfall einer Steuerhinterziehung durch den Steuerpflichtigen selbst zu fordern, daß es durch seine Selbstanzeige dem Finanzamt ermöglicht wird, auf ihrer Grundlage ohne langwierige große Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären und die Steuer richtig zu errechnen; durch die eigene Tätigkeit des Steuerpflichtigen muß ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet worden sein, daß die Steuer nunmehr richtig festgesetzt werden kann; auch erlangt der Anzeigende bei dieser Fallgestaltung selbst dann keine Straffreiheit, wenn er unverschuldet außerstande ist, eine solche Aufklärung zu leisten (BGH, Urt. v. 14.12.1976 – 1 StR 196/76, BB 1978, 698). Solche Anforderungen dürfen indessen in dem vorliegenden Sonderfall nicht gestellt werden, der dadurch gekennzeichnet ist, daß der Angeklagte für die Zeit von Juni bis Oktober 1982 in Form einer Beihilfe zu dessen Steuerhinterziehung für seinen Mandanten deshalb unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen vorgenommen hat, weil er von diesem die für richtige Erklärungen nötigen Unterlagen nicht erhalten hatte. Weil dem Angeklagten bis zu dem erwähnten Telefongespräch mit dem Finanzamt von seinem Auftraggeber das erforderliche Zahlenwerk auch nicht nachgereicht worden war, konnte er auch zu dieser Zeit die zutreffenden Angaben über die Umsätze des Steuerpflichtigen noch nicht machen. Wollte man bei solchen oder ähnlichen Sachverhalten, in denen der Gehilfe auf die Unterrichtung durch andere (namentlich den Steuerpflichtigen selbst) angewiesen ist, von ihnen aber keine Informationen erhält, eine Berichtigung pp. im Sinne der zitierten Rechtsprechung fordern, so könnte ein solcher Teilnehmer niemals gemäß § 371 AO 1977 Straffreiheit erlangen. Es ist nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber dies beabsichtigt hat. Bei einer derartigen Auslegung der genannten Vorschrift würde durch sie von einem bloßen Gehilfen ohne sachlichen Grund Unmögliches verlangt. Für diesen muß es daher in einem Fall wie dem vorliegenden für eine Berichtigung genügen, daß er die Art und den Umfang der Steuerhinterziehung und seines Beitrages dazu so genau bezeichnet, daß dem Staat dadurch der Zugriff auf die bisher verheimlichte Steuerquelle möglich wird, so daß es nichts ausmacht, wenn erst weitere Ermittlungen des Finanzamtes eine neue Steuerfestsetzung erlauben, [...]
Diesen Anforderungen genügt das Telefongespräch des Angeklagten mit den Mitarbeitern des Finanzamts vom 25. März 1983, so daß die in § 371 Abs. 1 AO 1977 bezeichneten Voraussetzungen einer Selbstanzeige erfüllt sind.”
Rz. 190
Die Entscheidung des OLG Hamburg erscheint zwar nicht verallgemeinerungsfähig, da grds. die Unfähigkeit zur Berichtigung – unabhängig vom Verschulden – der Wirksamkeit einer Selbstanzeige entgegensteht (s. Rz. 260 ff.). Jedoch ist der Wortlaut des § 371 AO zumindest für die Fälle, in denen der Haupttäter sich weigert, eine Selbstanzeige zu erstatten bzw. Zahlenmaterial zur Verfügung zu stellen, als zu eng anzusehen. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 hat der BGH im Zusammenhang mit einer Selbstanzeigemöglichkeit des Gehilfen ausdrücklich offengelassen, "inwieweit dieser im Hinblick auf etwaige faktische Gegebenheiten verpflichtet ist, Besteuerungsgrundlagen offenzulegen. Denn jedenfalls muss der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag offenlege...