Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) "Waffe", "Werkzeug" und "Mittel"
Rz. 65
Eine Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel ist ein Gegenstand, der nach seiner Art und seinem Verwendungszweck in der konkreten Situation dazu geeignet ist, Widerstand durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Der Abgrenzung der drei Begriffe untereinander kommt angesichts der umfassenden gesetzlichen Ausdrucksweise keine Bedeutung zu.
Rz. 66
Waffen im Sinne dieser Vorschrift sind alle Waffen im technischen Sinn, die zur Tötung oder erheblichen Verletzung von Menschen geeignet sind, mit Ausnahme von Schusswaffen. Darunter fallen alle Hieb-, Stoß- und Stichwaffen (s. auch Rz. 68) sowie Sprengkörper. Sprühdosen mit Tränengas oder Pfefferspray hingegen gelten nach neuerer Rspr. inzwischen nicht mehr als Waffen, sondern als gefährliche Werkzeuge (s. Rz. 68).
Rz. 67
Den Waffen im technischen Sinn hat der Gesetzgeber Werkzeuge und sonstige Mittel gleichgestellt. Der Umschreibung "sonst ein Werkzeug oder Mittel" kommt eine Auffangfunktion zu. Dadurch soll der Anwendungsbereich der Vorschrift bewusst weit gefasst werden. Es fällt jeder Gegenstand darunter, den der Täter zur Gewaltanwendung einzusetzen beabsichtigt, um einen Widerstand zu verhindern oder zu überwinden. Eine Abgrenzung ist im Einzelnen nicht möglich. Bei Alltagsgegenständen, die keine generelle Gefährlichkeit aufweisen, stellt die Rspr. aber inzwischen erhöhte Anforderungen an die Art der Verwendung im Einzelfall.
Rz. 68
Beispiele
Werkzeug oder Mittel können z.B. sein: ein Pkw, mit dem die Zollbeamten "notfalls" angefahren werden sollten, ein Kampfhund, nach Ansicht der Rspr. der beschuhte Fuß, insbesondere bei Tritten gegen den Kopf oder in den Magen des Opfers, betäubende und ätzende Substanzen wie Gase (Reizgas und Pfefferspray, s. Rz. 66), Säuren, Narkotika, Fessel- und Knebelungswerkzeuge, zum Schlagen, Stoßen, Stechen geeignete Werkzeuge wie abgebrochene Flaschen, Spritzen, Kugelschreiber, Nadeln, Elektroschocker, Äxte, Beile, Stangen, Stöcke, Schere, Schraubenzieher (str.) oder Messer aller Art, sofern sie nicht schon dem Waffenbegriff unterfallen (z.B. Kampfmesser oder Butterflymesser oder inzwischen nach dem neuen Waffenrecht Messer ab einer Klingenlänge von mehr als 12 cm), wobei aber die Rspr. inzwischen eher restriktive Anforderungen an die Art und Beschaffenheit stellt.
Rz. 69
Umstritten ist, ob zu diesen Tatmitteln auch sog. Scheinwaffen gehören, deren Gefährlichkeit vom Täter nur vorgetäuscht wird. Bei den Qualifikationstatbeständen der § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB genügt schon die Einschüchterungs- und Bedrohungswirkung aufseiten des Tatopfers. Als Scheinwaffen im Rahmen dieser Normen sieht die Rspr. täuschend echte Spielzeugpistolen, ungeladene echte Schusswaffen oder Bombenattrappen an. Allerdings scheiden solche Drohmittel aus, die offensichtlich objektiv ungefährlich sind und damit nicht zur Gewaltanwendung bzw. -drohung geeignet sind.
Da die klarstellende Gesetzesänderung bzgl. dieser allgemeinen Straftatbestände im Jahr 1998 durch das 6. StrRG bei § 373 Abs. 2 Nr. 2 AO durch den Gesetzgeber jedoch nicht nachvollzogen wurde, wird man bei diesem Qualifikationsmerkmal zu Recht eine objektive Gefährlichkeit verlangen müssen.
b) Beisichführen
Rz. 70
Für das Merkmal des Beisichführens in zeitlich/räumlicher Hinsicht gilt, was dazu im Rahmen der Erläuterungen zu Nr. 1 (s. Rz. 60–62) ausgeführt worden ist. Auch bei der Qualifikation der Nr. 2 ist nicht erforderlich, dass es tatsächlich zum Einsatz der mitgeführten Tatmittel (Waffe, Werkzeug oder Mittel) kommt. Allerdings setzt § 373 Abs. 2 Nr. 2 AO im Unterschied zu § 373 Abs. 2 Nr. 1 AO in subjektiver Hinsicht eine Verwendungs- bzw. Gebrauchsabsicht voraus (Rz. 71).
c) Subjektiver Tatbestand
Rz. 71
Darüber hinaus wird vorausgesetzt, dass der Täter gehandelt hat, "um den Widerstand eines anderen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden." Mit "Widerstand" eines anderen sind z.B. Abwehrmaßnahmen von Zollbeamten gemeint, die sich den Tätern möglicherweise in den Weg stellen. Die gesetzliche Formulierung "um zu" bedeutet, dass der Täter eine Gebrauchsabsicht (gemeint ist dolus directus 1. Grades, s. § 370 Rz. 608) haben muss. Während das Beisichführen von Schusswaffen (§ 373 Abs. 2 Nr. 1 AO) bereits die abstrakte Gefahr des Einsatzes begründet (s. Rz. 63), sollen durch die Tatvariante des § 373 Abs. 2 Nr. 2 AO gezielte Vorbereitungshandlungen zu einer Nötigung durch den subjektiv gefährlichen Täter unterbunden werden. Daraus folgt zunächst, dass der Täter das Werkzeug für geeignet hält, damit Gewalt auszuüben oder zu drohen.
Dabei muss er nicht unter allen Umständen zu ihrer Verwendung entschlossen sein, sondern es genügt, wenn er sie im B...