Rz. 69

[Autor/Stand] Der für das Steuerstrafrecht bedeutsame § 74e StGB i.V.m. § 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB gestattet bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der §§ 74 ff. StGB auch die Einziehung von Verbandseigentum- oder Gesellschaftseigentum, d.h. des Eigentums von juristischen Personen und Personenvereinigungen (im Folgenden JP/PV), das von vertretungsberechtigten Organen und Mitgliedern zu strafbaren Handlungen verwendet worden ist oder auf das sich solche Handlungen beziehen.[2]

 

Rz. 70

[Autor/Stand] § 74e StGB will einer "Einziehungslücke" entgegenwirken, die entstehen kann, wenn es zu einem Auseinanderfallen von natürlicher Person als Täter und JP/PV als Eigentümer der einzuziehenden Sache kommt.[4] Die Handlungen des Organs oder Vertreters werden der JP/PV zugerechnet, als ob es ihre eigenen wären.[5] Ob die Bestellung als Organ oder als Vertreter rechtswirksam erfolgte, ist nach § 74e Satz 2, § 14 Abs. 3 StGB irrelevant, soweit jedenfalls Rechtshandlungen vorgenommen wurden, die auf einem Vertretungsverhältnis beruhen sollten.[6]

 

Rz. 71

[Autor/Stand] Die Tatbegehung kann nur zur Einziehung der Sache bei der juristischen Person führen, wenn der Täter oder Teilnehmer die Tat in seiner Funktion als Organ oder Vertreter der juristischen Person und nicht nur bei Gelegenheit der ihm übertragenen Aufgabe begangen hat. Die überwiegende Ansicht im Schrifttum versteht darunter, dass die Tat in einem inneren Zusammenhang mit der Stellung des Täters oder Teilnehmers gestanden haben muss.[8] Noch weiter differenziert dagegen die Rspr. Handelt der Vertreter bzw. Beauftragte – zumindest auch – im Interesse des Vertretenen bzw. des Auftraggebers, ist § 74e Satz 1 StGB anwendbar (so z.B. bei der Ein-Mann-Gesellschaft).[9]

 

Rz. 72

[Autor/Stand] Eine Zurechnung der Handlung zum Vertretenen erfolgt nur, wenn – stünde die Sache im Eigentum des Organs oder Vertreters – gegen diesen eine Einziehung nach §§ 7474c StGB möglich gewesen wäre.

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[2] Vgl. Rönnau, ZGR 2016, 277 (300); Achenbach, wistra 2002, 441 (444); Bülte in JJR9, § 375 AO Rz. 58.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[4] Eser/Schuster in Schönke/Schröder30, § 74e StGB Rz. 1 und krit. zur damit verbundenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen Heine/Weißer in Schönke/Schröder30, Vor § 25 StGB Rz. 120 ff.
[5] Fischer71, § 74e StGB Rz. 1.
[6] Eser/Schuster in Schönke/Schröder30, § 74e StGB Rz. 9.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[8] Thoma in Göhler19, § 9 OWiG Rz. 15a; Perron/Eisele in Schönke/Schröder30, § 14 StGB Rz. 19; Ransiek, ZGR 1992, 203 (211); Arloth, NStZ 1990, 570 (574); Deutscher/Körner, wistra 1996, 8 (13).
[9] Vgl. BGH v. 18.7.1996 – 1 StR 386/96, NStZ 1997, 30 (31) = wistra 1997, 23, hinsichtlich der Einziehung eines Firmenhubschraubers; Rogall in KK5, § 9 OWiG Rz. 61 und 82.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024

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