Rz. 23

[Autor/Stand] Der Verlust der Amtsfähigkeit und des passiven Wahlrechts muss als Nebenstrafe im Urteil besonders ausgesprochen und gem. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO begründet werden. Eine Anordnung durch Strafbefehl ist nicht zulässig (§ 407 Abs. 2 StPO). Bei einer Gesamtstrafenbildung tritt die Anordnung neben die Gesamtstrafe, nicht neben die Einzelstrafe.[2]

 

Rz. 24

[Autor/Stand] Die Entscheidung, ob dem Verurteilten die Fähigkeit abzusprechen ist, öffentliche Ämter zu bekleiden oder Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (passives Wahlrecht), steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. § 45 Abs. 1 StGB, der bei entsprechender Vortat eine zwingende Anordnung der Nebenstrafe vorsieht, gilt im Steuerstrafrecht nicht, da § 375 Abs. 1 AO nur auf § 45 Abs. 2 StGB verweist. Bei der Ermessensentscheidung sind zudem, da es sich um Fragen der Strafzumessung handelt, die Strafzumessungsgrundsätze des § 46 StGB zu beachten.[4]

Das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts erstreckt sich auch auf die Frage, für welche Dauer dem Verurteilten die in § 375 Abs. 1 AO genannten Fähigkeiten abzuerkennen sind. Nach § 45 Abs. 2 StGB bewegt sich der Rahmen, der dem Gericht bei dieser Entscheidung zur Verfügung steht, zwischen zwei bis fünf Jahren. Auch hier sind die Grundsätze des § 46 StGB zu beachten. Die beiden Fähigkeiten können nicht nur zugleich,[5] sondern auch jeweils für sich allein aberkannt werden.[6]

 

Rz. 25

[Autor/Stand] Gemäß § 45a Abs. 1 StGB tritt mit dem rechtskräftigen Ausspruch der Nebenstrafe für die Dauer der nach § 45 Abs. 2 StGB zu bestimmenden Frist der Verlust der in § 375 Abs. 1 AO genannten Fähigkeiten und – ohne dass dies im Urteil besonders hervorgehoben werden müsste – der Verlust der Rechtsstellungen und Rechte, die der Verurteilte aufgrund des öffentlichen Amtes oder der öffentlichen Wahlen innehat (§ 45 Abs. 3 und 4 StGB), ein. Der Verlust der Rechtsstellung ist endgültig. Zur Wiedererlangung der Fähigkeiten s. Rz. 30 f.

 

Rz. 25.1

[Autor/Stand] Der erforderliche Hinweis auf eine mögliche Aberkennung der Wählbarkeit und der Amtsfähigkeit muss durch das Gericht förmlich erteilt werden, da § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO n.F.[9] nunmehr ausdrücklich auf die in § 265 Abs. 1 StPO normierte besondere Hinweispflicht verweist.[10] Der Hinweis kann deswegen nicht durch den entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft im Schlussvortrag ersetzt werden.[11]

 

Rz. 26

[Autor/Stand] Der Verlust der Rechtsstellungen und Rechte kann auch schon automatisch durch eine Sondernorm angeordnet werden. Dies ist z.B. der Fall bei § 41 BBG (Verlust der Beamtenrechte), § 59 Abs. 1 BeamtVG (Verlust der Beamtenbezüge), § 24 Nr. 1 DRiG (Beendigung des Richterverhältnisses), § 49 BNotO (Verlust der Notarstellung), §§ 48, 49 Abs. 1 und 2, § 38 SG (Verlust der Rechtsstellung als Berufssoldat, Ausschluss aus der Bundeswehr und Verlust des Dienstgrads), § 18 Nr. 1 FGO (Ausschluss vom Amt des ehrenamtlichen Finanzrichters), § 21 Nr. 1 VwGO (Ausschluss vom Amt des ehrenamtlichen Verwaltungsrichters), § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGG (Ausschluss vom Amt des ehrenamtlichen Sozialrichters), § 32 Nr. 1 GVG (Unfähigkeit, das Schöffenamt auszuüben).

 

Rz. 27

[Autor/Stand] Demgegenüber kann der Verlust der Rechtsstellungen und Rechte auch an eine individuelle Prüfung gekoppelt sein. Dies ist etwa bei § 47 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 BWahlG der Fall, wonach über den Verlust der durch die Wahl erlangten Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag der Ältestenrat entscheidet.[14] Vgl. ferner zur Erteilung, zur Rücknahme und zum Widerruf der Approbation als Arzt § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1, 2 BÄO, als Zahnarzt § 2 Abs. 1 Nr. 2 ZahnHKG und als Tierarzt § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 2, §§ 7, 8 Abs. 1 Nr. 1 BTÄO.

 

Rz. 28

[Autor/Stand] Schließlich kann durch ausdrücklichen Verweis auf den Verlust der Fähigkeiten nach § 45 StGB der Verlust bestimmter beruflicher Qualifikationen zwingend angeordnet werden. Dazu gehören z.B. § 14 Abs. 2 Nr. 2 BRAO (Widerruf der Zulassung als Rechtsanwalt), § 46 Abs. 2 Nr. 2 StBerG (Widerruf der Bestellung als Steuerberater), § 20 Abs. 2 Nr. 2 WPO (Widerruf der Bestellung als Wirtschaftsprüfer). Gleichermaßen kann in diesen Fällen bereits der Zugang zum Beruf versagt werden (vgl. § 7 Nr. 2 BRAO, § 40 Abs. 2 Nr. 2 StBerG, § 16 Abs. 1 Nr. 2 WPO). Siehe auch Rz. 8.

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[2] RG v. 15.5.1941, RGSt 75, 212.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[4] BGH v. 31.8.1955 – 2 StR 110/55, bei Dallinger, MDR 1956, 9; Fischer71, § 45 StGB Rz. 9; Schneider in LK13, § 45 StGB Rz. 17; Radtke in MünchKomm4, § 45 StGB Rz. 9, 23; a.A. Wolters in SK9, § 45 StGB Rz. 12: allein präventiv; zweifelnd auch Nelles, JZ 1991, 17 (21).
[5] So aber Nikolaus in Schwarz/Pahlke/Keß, § 375 AO Rz. 4; Rolletschke in Rolletschke/Kemper/Roth, § 375 AO Rz. 24; a.A. Wolters in SK9, § 45 StGB Rz. 11.
[6] Ebenso Tormöhlen in HHSp., § 375 AO Rz. 24; Bülte in JJR9, § 375 AO Rz. 11.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
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