Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 23
Der Verlust der Amtsfähigkeit und des passiven Wahlrechts muss als Nebenstrafe im Urteil besonders ausgesprochen und gem. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO begründet werden. Eine Anordnung durch Strafbefehl ist nicht zulässig (§ 407 Abs. 2 StPO). Bei einer Gesamtstrafenbildung tritt die Anordnung neben die Gesamtstrafe, nicht neben die Einzelstrafe.
Rz. 24
Die Entscheidung, ob dem Verurteilten die Fähigkeit abzusprechen ist, öffentliche Ämter zu bekleiden oder Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (passives Wahlrecht), steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. § 45 Abs. 1 StGB, der bei entsprechender Vortat eine zwingende Anordnung der Nebenstrafe vorsieht, gilt im Steuerstrafrecht nicht, da § 375 Abs. 1 AO nur auf § 45 Abs. 2 StGB verweist. Bei der Ermessensentscheidung sind zudem, da es sich um Fragen der Strafzumessung handelt, die Strafzumessungsgrundsätze des § 46 StGB zu beachten.
Das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts erstreckt sich auch auf die Frage, für welche Dauer dem Verurteilten die in § 375 Abs. 1 AO genannten Fähigkeiten abzuerkennen sind. Nach § 45 Abs. 2 StGB bewegt sich der Rahmen, der dem Gericht bei dieser Entscheidung zur Verfügung steht, zwischen zwei bis fünf Jahren. Auch hier sind die Grundsätze des § 46 StGB zu beachten. Die beiden Fähigkeiten können nicht nur zugleich, sondern auch jeweils für sich allein aberkannt werden.
Rz. 25
Gemäß § 45a Abs. 1 StGB tritt mit dem rechtskräftigen Ausspruch der Nebenstrafe für die Dauer der nach § 45 Abs. 2 StGB zu bestimmenden Frist der Verlust der in § 375 Abs. 1 AO genannten Fähigkeiten und – ohne dass dies im Urteil besonders hervorgehoben werden müsste – der Verlust der Rechtsstellungen und Rechte, die der Verurteilte aufgrund des öffentlichen Amtes oder der öffentlichen Wahlen innehat (§ 45 Abs. 3 und 4 StGB), ein. Der Verlust der Rechtsstellung ist endgültig. Zur Wiedererlangung der Fähigkeiten s. Rz. 30 f.
Rz. 25.1
Der erforderliche Hinweis auf eine mögliche Aberkennung der Wählbarkeit und der Amtsfähigkeit muss durch das Gericht förmlich erteilt werden, da § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO n.F. nunmehr ausdrücklich auf die in § 265 Abs. 1 StPO normierte besondere Hinweispflicht verweist. Der Hinweis kann deswegen nicht durch den entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft im Schlussvortrag ersetzt werden.
Rz. 26
Der Verlust der Rechtsstellungen und Rechte kann auch schon automatisch durch eine Sondernorm angeordnet werden. Dies ist z.B. der Fall bei § 41 BBG (Verlust der Beamtenrechte), § 59 Abs. 1 BeamtVG (Verlust der Beamtenbezüge), § 24 Nr. 1 DRiG (Beendigung des Richterverhältnisses), § 49 BNotO (Verlust der Notarstellung), §§ 48, 49 Abs. 1 und 2, § 38 SG (Verlust der Rechtsstellung als Berufssoldat, Ausschluss aus der Bundeswehr und Verlust des Dienstgrads), § 18 Nr. 1 FGO (Ausschluss vom Amt des ehrenamtlichen Finanzrichters), § 21 Nr. 1 VwGO (Ausschluss vom Amt des ehrenamtlichen Verwaltungsrichters), § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGG (Ausschluss vom Amt des ehrenamtlichen Sozialrichters), § 32 Nr. 1 GVG (Unfähigkeit, das Schöffenamt auszuüben).
Rz. 27
Demgegenüber kann der Verlust der Rechtsstellungen und Rechte auch an eine individuelle Prüfung gekoppelt sein. Dies ist etwa bei § 47 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 BWahlG der Fall, wonach über den Verlust der durch die Wahl erlangten Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag der Ältestenrat entscheidet. Vgl. ferner zur Erteilung, zur Rücknahme und zum Widerruf der Approbation als Arzt § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1, 2 BÄO, als Zahnarzt § 2 Abs. 1 Nr. 2 ZahnHKG und als Tierarzt § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 2, §§ 7, 8 Abs. 1 Nr. 1 BTÄO.
Rz. 28
Schließlich kann durch ausdrücklichen Verweis auf den Verlust der Fähigkeiten nach § 45 StGB der Verlust bestimmter beruflicher Qualifikationen zwingend angeordnet werden. Dazu gehören z.B. § 14 Abs. 2 Nr. 2 BRAO (Widerruf der Zulassung als Rechtsanwalt), § 46 Abs. 2 Nr. 2 StBerG (Widerruf der Bestellung als Steuerberater), § 20 Abs. 2 Nr. 2 WPO (Widerruf der Bestellung als Wirtschaftsprüfer). Gleichermaßen kann in diesen Fällen bereits der Zugang zum Beruf versagt werden (vgl. § 7 Nr. 2 BRAO, § 40 Abs. 2 Nr. 2 StBerG, § 16 Abs. 1 Nr. 2 WPO). Siehe auch Rz. 8.