Rz. 131
Die Strafverfolgungsbehörden, im Steuerstrafverfahren auch die FinB (StraBu, Außen- und Fahndungsprüfung), haben bei Einleitung und Durchführung des Straf- (oder Ordnungswidrigkeiten-)verfahrens stets zu prüfen, ob die zu verfolgende Tat bereits verjährt ist. Um zu gewährleisten, dass die Verjährung nicht während des schwebenden Straf- (bzw. Ordnungswidrigkeiten-)verfahrens gegen den Täter eintritt, sieht das allgemeine Strafrecht in § 78c StGB (ebenso § 33 OWiG bei Ordnungswidrigkeiten) und ergänzend § 376 Abs. 2 AO Unterbrechungsregelungen vor, die den Verjährungseintritt zeitlich hinausschieben können. Die zeitliche Ausdehnung ist allerdings grds. limitiert auf das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB; Ausnahme: § 376 Abs. 3 AO = 2,5-fache Frist, Rz. 13, 18).
Rz. 132
Eine Sonderregelung über die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung für DDR-Alttaten enthält Art. 315a Abs. 1 Satz 3 EGStGB, die jedoch aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs keine praktische Bedeutung mehr haben dürfte.
I. Regelungsgehalt des § 78c StGB
Rz. 133
Die seit dem 1.1.1975 gültige Regelung der Unterbrechung der Verjährung (§ 78c StGB) hat gegenüber dem früheren Recht eine grundlegende Änderung erfahren. Nach § 68 StGB a.F. wurde die Verjährung durch "jede richterliche Handlung" unterbrochen, die "wegen der begangenen Tat gegen den Täter gerichtet" war. Die Auslegung dieser Vorschrift hatte in der Praxis zu einer kaum überschaubaren und verwirrenden Kasuistik geführt. In einer Vielzahl von Entscheidungen hatten sich die obersten Gerichte immer wieder veranlasst gesehen, einer allzu "unterbrechungsfreundlichen" Praxis durch restriktive Auslegung des zu weit gefassten Gesetzes Einhalt zu gebieten. Der Gesetzgeber hat dieser – der Rechtssicherheit abträglichen – Entwicklung mit § 78c StGB n.F. dadurch ein Ende gesetzt, dass er an die Stelle der zuvor geltenden Generalklausel eine enumerative Aufzählung von Umständen gesetzt hat, die die Verjährung unterbrechen.
Rz. 134
Der Katalog der Unterbrechungshandlungen ist abschließend, so dass anderen als den genannten Maßnahmen keine unterbrechende Wirkung zukommt. Aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift sind die Tatbestände zudem eng auszulegen und nicht analogiefähig. Infolgedessen hat bspw. die bloße Selbstanzeige (§ 371 AO) keinen Einfluss auf die Verjährung, wenn die FinB sie lediglich entgegennimmt, ohne ihrerseits eine unterbrechende Handlung nach § 78c StGB vorzunehmen. Entgegen dem alten Rechtszustand können neben richterlichen Handlungen auch bestimmte besonders wichtige Maßnahmen der StA bzw. der FinB und der Polizei bzw. der Steufa die Verjährung unterbrechen.
II. Wirkung der Unterbrechung
Rz. 135
Wird durch eine der in § 78c Abs. 1 StGB, § 376 Abs. 2 AO genannten Maßnahmen die Verjährung unterbrochen, so beginnt mit dem Tag der Unterbrechungshandlung die Frist von Neuem voll zu laufen (§ 78c Abs. 3 Satz 1 StGB). Um zu verhindern, dass durch beliebig oft wiederholbare Unterbrechungsmöglichkeiten die Verjährung einer Straftat letztlich ausgeschlossen wird, bestimmt aber § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB eine absolute Grenze: Ist seit dem Beginn der Verjährung (s. Rz. 66 ff.) mehr als das Doppelte der gesamten Verjährungsfrist vergangen, tritt in jedem Fall Verjährung ein. Steuerstraftaten mit einer regelmäßigen fünfjährigen Verjährungsfrist verjähren damit absolut nach zehn Jahren, Steuerhinterziehungen nach § 376 Abs. 1 AO – als besonders schwer benannte – verjähren absolut nach 37,5 Jahren (Rz. 18). Bei Berechnung dieser Höchstfrist ist die Zeit, während derer die Verjährung gem. § 78b StGB ruht, nicht zu berücksichtigen (§ 78c Abs. 3 Satz 3 StGB; s. Rz. 167 ff.).
Rz. 136
Verjährungsunterbrechende Wirkung kommt nur den Amtshandlungen zu, die sich gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten wegen einer bestimmten Tat richten, die im Zuständigkeitsbereich der Verfolgungsbehörden liegen und die bestimmt und geeignet sind, den Fortgang des Verfahrens gegen den Täter zu fördern. Das bedeutet im Einzelnen:
1. Persönliche Wirkung
Rz. 137
Von der Unterbrechung der Verjährung ist nur die Person betroffen, auf die sich die Unterbrechungshandlung bezieht (§ 78c Abs. 4 StGB). Die Unterbrechungshandlung muss hinreichend deutlich erkennen lassen, gegen wen sie sich jeweils richtet. Sie braucht zwar nicht den Täter namentlich zu...