Rz. 1
Zu den Rechtsinstituten, die im Rahmen eines jeden Strafverfahrens besonderer Beachtung bedürfen, gehört das der Strafverfolgungsverjährung; dazu verhalten sich §§ 78 ff. StGB, § 376 AO. Sofern sie eingetreten ist, darf eine Strafverfolgung nicht aufgenommen bzw. dürfen entsprechende Ermittlungen nicht fortgeführt werden. Ein mit diesem Ziel bereits laufendes Verfahren ist einzustellen. Jede weitere Verfolgung hat zu unterbleiben; eine Fortführung des Verfahrens zum Zwecke der selbständigen Einziehung bliebe allerdings zulässig (zur Einziehung vgl. Rz. 50; § 399 Rz. 53 ff.; § 375a Rz. 1 ff). Die Verjährung ist ein Verfahrenshindernis (Rz. 44) und also von Amts wegen zu beachten.
Rz. 2
Die Frage des möglichen Eintritts der Strafverfolgungsverjährung ist mithin eine "Schicksalsfrage" jedes Strafverfahrens. Sie zu beantworten, bereitet trotz vorhandener gesetzlicher Regelungen im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten. Im Steuerstrafverfahren können sich aufgrund der Eigenart der Materie und der mit § 376 AO angeordneten Abweichungen von den via § 369 Abs. 2 AO anwendbaren allgemeinen Regeln der §§ 78 ff. StGB besondere Probleme ergeben. Sie rühren neben dem nicht immer ganz klaren Zusammenspiel von StGB-Regeln und AO-Ausnahmen daher, dass oftmals zwischen der Handlung des Täters, dem Eintritt des Erfolgs und der Beendigung der Tat erhebliche Zeiträume liegen, die die grundsätzliche gesetzliche Frist der Verfolgungsverjährung für Vergehen – fünf Jahre nach Beendigung der Tat – bei weitem übersteigen.
Beispiel
Wer bspw. im Jahr 01 unzulässige steuerliche Manipulationen vornimmt, im Jahr 03 eine unrichtige Steuererklärung für den Besteuerungszeitraum 01 abgibt und im Jahr 05 steuerlich veranlagt wird, für den endet die Strafverfolgungsverjährung frühestens im Jahr 10. In vergleichbaren Fällen der "gewöhnlichen" Kriminalität (z.B. Diebstahl gem. § 242 StGB) wäre die Verfolgungsverjährung – aufgrund des früheren Beendigungszeitpunkts – bereits in 06 eingetreten.
Rz. 3
Anders als im Bereich allgemeiner Kriminalität (§ 78 Abs. 4 StGB) kommt es bei einem besonders schweren Fall ggf. – nicht stets – zur Verlängerung der Verjährungsfrist auf 15 Jahre (§ 376 Abs. 1 Halbs. 1. AO). § 376 AO begründet zudem eine ergänzende Ruhensregelung (§ 376 Abs. 1 Halbs. 2 AO), einen besonderen Unterbrechungstatbestand (§ 376 Abs. 2 AO) und eine erhöhte absolute Verjährungsfrist (§ 376 Abs. 3 AO).
Für den Praktiker tritt zu den Problemen der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung noch die Strafvollstreckungsverjährung – diese erfolgt nach den allgemeinen Regeln (§ 369 Abs. 2 AO, §§ 79 ff. StGB).
Sofern sich die Tat im Laufe des Ermittlungsverfahrens als Steuerordnungswidrigkeit herausstellen sollte, richtet sich die Verfolgungsverjährung nach § 377 Abs. 2, § 384 AO, §§ 31 ff. OWiG und die Vollstreckungsverjährung nach § 377 Abs. 2 AO, § 34 OWiG (s. § 384).
Die steuerliche Verjährung richtet sich nach §§ 169 ff. AO, hat aber Wechselwirkungen mit der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung (vgl. § 171 Abs. 5 AO und insbesondere Abs. 7).
Im Falle einer Selbstanzeige sind sowohl die verlängerten steuerlichen wie auch die ggf. darüberhinausgehenden Strafverfolgungsfristen (§ 371 Abs. 1 Satz 2 AO; § 371 Rz. 110 ff.) und zudem eine via § 73e StGB denkbare Einziehung über beide Fristen hinaus (§ 375a Rz. 11) zu beachten.