Rz. 442
Das Feld der Tax Compliance eröffnet neben den Chancen des Betätigungsfeldes "Compliance" für den steuerlichen Berater auch mögliche (Haftungs-)Risiken und Strafbarkeitsrisiken (Beihilfeproblematik), die im Einzelnen noch zu erörtern sind bzw. sich hierzu Erkenntnisse erst aus der Praxis ergeben werden. Hierunter fallen u.a. die Frage zur Haftung, falls – trotz eingerichtetem (und wirksamem) Tax CMS – durch einen Steuerberater, Fehler passieren.
Rz. 443
Es ist ferner nicht abschließend geklärt, welche Pflichten einen Steuerberater treffen, der Verstöße gegen das Tax CMS erkennt und gleichzeitig mit der Erstellung von Erklärungen beauftragt ist.
Meines Erachtens ist hierzu festzuhalten, dass ein Berater grundsätzlich erst einmal in einem Vertrauensverhältnis mit seinem Mandanten steht und er den Angaben grundsätzlich vertrauen darf. Dies ist auch im Rahmen seines Dienstleistungsvertrags geboten – er darf nicht einfach von den Angaben seines Mandanten abweichen. Ein Berater darf hingegen dann nicht auf Auskünfte seines Mandanten vertrauen, wenn Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen. In der Literatur wird teilweise abweichend formuliert, dass der Berater nur nachfragen muss, wenn sich ihm Zweifel am Wahrheitsgehalt oder an der Vollständigkeit seiner Angaben hätten aufdrängen müssen. Eine generelle Pflicht zur Nachfrage beim Mandanten oder zum Nachprüfen gibt es aber nicht.
Rz. 444
Hieraus ließe sich ableiten, dass nicht jeder Verstoß gegen Compliance-Regeln eine steuerliche Unrichtigkeit nahelegt. Man könnte hier m.E. die Gesamtumstände betrachten und unterscheiden nach permanenten Fehlern, der Häufigkeit, einer absehbaren Bagatellwirkung usw. Wenn konkrete Umstände jedoch nahelegen, dass steuerliche Unrichtigkeiten verursacht werden, so wird der Berater seine Tätigkeit nicht sehenden Auges unverändert fortsetzen dürfen. Die Beratertätigkeit wird in den letzten Jahren vermehrt unter die Lupe genommen und die Anforderungen steigen. Einzelne Finanzbeamte vertreten in Fachbeiträgen dezidiert die Ansicht, dass ein Berater sein Mandat niederlegen muss, wenn er von der Unrichtigkeit von Angaben des Mandanten gegenüber dem Berater weiß und dieser nicht bereit ist, dem Berater zutreffende und vollständige Angaben zu übermitteln. Ein Berater muss in der verschärften Praxis damit rechnen, dass er sich dem straf- oder bußgeldrechtlichen Vorwurf ausgesetzt sieht, sehenden Auges die Beratung fortzusetzen, obwohl er von Regelverstößen Kenntnis hat, die evident zu steuerlichen Unrichtigkeiten führen können.
Rz. 445
Wenn der Steuerberater dem Unternehmen bzw. den zuständigen Mitarbeitern einen Hinweis gibt (wozu er evtl. zivilrechtlich verpflichtet ist), das Unternehmen trotzdem die Augen verschließt und sich der Fehler damit wiederholt, dann könnte für das Vertrauen des Steuerberaters die Basis fehlen, so dass die oben genannte Vertrauens-Rspr. nicht mehr gelten würde. Aber auch in einem solchen Fall müsste dem Steuerberater Vorsatz oder Leichtfertigkeit nachgewiesen werden. Täter kann er nur sein, wenn er die Person ist, die Angaben gegenüber der FinB macht (vgl. §§ 370, 378 Abs. 1 AO). Oftmals ist bei einer wertenden Beurteilung jedoch der Unternehmer das Organ bzw. diejenige Person, welche Angaben gegenüber der FinB macht (s. auch § 370 Rz. 107.2 ff.). Macht der Berater danach keine Angaben, so kommt bei Vorsatz im Einzelfall allenfalls Anstiftung oder Beihilfe in Betracht.