Rz. 120

[Autor/Stand] Sorgfaltswidriges Verhalten in Form des Übernahmeverschuldens kann gegeben sein, wenn der steuerliche Berater Aufträge annimmt, denen er fachlich nicht gewachsen ist (s. auch § 377 Rz. 58)[2].

 

Beispiel 103

A hatte sich verpflichtet, die laufenden Buchführungsarbeiten eines Betriebes zu überwachen und Steuererklärungen anzufertigen. Es handelte sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem u.a. als gesetzlich vorgeschriebenes Nebenbuch ein Naturalienregister zu führen war. A wertete dieses Buch bei seiner Steuererklärung nicht aus, da er seine Bedeutung nicht erkannte. Dadurch wurden Steuerverkürzungen bewirkt.

Das OLG Hamm nahm hier grobe Fahrlässigkeit an, "weil er [A] als langjähriger Buchprüfer und Bearbeiter von Steuersachen die buchmäßige und steuerliche Betreuung eines landwirtschaftlichen Betriebes übernommen hatte, ohne sich zu vergewissern, welche Bücher in einem solchen Betrieb vorgeschrieben sind, sich insbesondere nicht um das Naturalienregister und seine Bedeutung für die Steuerfestsetzung kümmerte und die Buchungen nicht daraufhin kontrollierte, ob sie vollständig waren"[3].

Zur Erkundigungspflicht des steuerlichen Beraters s. Rz. 111.

Ein Übernahmeverschulden des Beraters liegt auch dann vor, wenn er durch unzureichende Organisation nicht in der Lage ist, den Auftrag ordnungsgemäß durchzuführen, und dadurch – für ihn vorhersehbar – eine Steuerverkürzung eintritt[4]. Organisationsmängel können bei fehlendem bzw. nicht nachweisbarem Kausal-/Rechtswidrigkeitszusammenhang auch nach dem Auffangtatbestand des § 130 OWiG geahndet werden (s. § 377 Rz. 171 ff.).

Eine nach § 378 AO sanktionierte Pflicht des Steuerberaters, nur so viele Mandanten anzunehmen, dass eine Arbeitsüberlastung nicht eintritt, ist dagegen abzulehnen[5]. Arbeitsüberlastung gilt allerdings nicht als Entschuldigungsgrund für die verspätete Einreichung von Steuererklärungen[6] oder als Entkräftung des Vorwurfs der Leichtfertigkeit i.S.d. § 378 AO[7].

[Autor/Stand] Autor: Heuel, Stand: 01.09.2022
[2] Göggerle/Müller, Fallkommentar zum Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht2, S. 125; Dörn, DStZ 1992, 330 (333).
[3] Vgl. auch Lohmeyer, BlStA 1966, 2.
[4] Vgl. Bülte in HHSp., § 378 AO Rz. 84; Joecks in JJR8, § 378 AO Rz. 59.
[5] So mit Recht Dörn, wistra 1994, 292; Felix/Streck, Stbg 1980, 78 (80) unter Hinweis auf die ständige Überlastung der FinB; a.A. Rolletschke in Rolletschke/Kemper, § 378 AO Rz. 32.
[6] Verwaltungsanweisung FinMin. BW v. 1.7.2005 – S 0323 Karte 1, BeckVerw 071329.
[7] FG Bremen v. 19.1.1993 – II 163/90 K, EFG 1993, 540.

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