Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Ergänzender Hinweis: Nr. 73 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 73).
Rz. 535
In Eilfällen kann eine vorläufige Festnahme gem. §§ 127, 163b, 163c StPO erfolgen, ohne dass ein richterlicher Haftbefehl vorliegen muss. Systematisch sind drei Typen der vorläufigen Festnahme zu unterscheiden.
Rz. 536
Ein Tatverdächtiger, der auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird, kann, sofern er der Flucht verdächtigt oder seine Identität nicht sofort – etwa durch Ausweiskontrolle – feststellbar ist, von jedermann, d.h. auch von Privatpersonen, vorläufig festgenommen werden (§ 127 Abs. 1 Satz 1 StPO). Diese sog. Flagranzfestnahme kann im Rahmen des Steuerstrafverfahrens allenfalls bei Zollvergehen (§§ 372, 373 AO) eine Rolle spielen (z.B. bei der Jagd nach einem flüchtigen Schmuggler).
Rz. 537
Bei Gefahr in Verzug können StA/Beamte der BuStra oder Polizeibeamte/Steufa-Beamte gem. § 127 Abs. 2 StPO Tatverdächtige vorläufig festnehmen, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls (dringender Tatverdacht, Flucht- oder Verdunkelungsgefahr, s. Rz. 499 ff.) gegeben sind.
Rz. 538
Der Beschuldigte wird für vorläufig festgenommen erklärt. Soweit erforderlich und angemessen, kann er unter Anwendung physischer Gewalt auf der Dienststelle festgehalten bzw. dorthin verbracht werden (vgl. Nr. 73 Abs. 6 AStBV (St) 2020, s. AStBV Rz. 73). Die Finanz- oder Fahndungsbeamten sollen – wenn möglich – die Polizei hinzuziehen. Der Festgenommene ist unverzüglich gem. § 114b i.V.m. § 127 Abs. 4 StPO und grds. schriftlich über seine Rechte zu belehren (vgl. Nr. 73 Abs. 8 AStBV (St) 2020). Ihm ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen, sofern der Zweck der Untersuchung dadurch nicht gefährdet wird (§ 114c Abs. 1 StPO i.V.m. § 127 Abs. 4 StPO). Der Festgenommene soll alsbald vernommen werden. Bei einer erstmaligen Vernehmung durch die Beamten der Finanzverwaltung ist § 163a Abs. 4 StPO zu beachten (s. Rz. 198 ff.).
Rz. 539
Wird der Festgenommene nicht in Freiheit gesetzt, so ist er unverzüglich, spätestens am Tag nach der Festnahme, dem Amtsrichter des Bezirks, in dem er festgenommen worden ist, oder – falls bereits die öffentliche Klage erhoben ist – dem zuständigen Gericht vorzuführen. Diese haben nach der Vernehmung über Freilassung oder Erlass eines Haftbefehls zu entscheiden (§§ 128, 129 StPO; Art. 104 Abs. 3 GG). Zur Pflichtverteidigerbestellung in diesem Fall s. § 140 Abs. 1 Nr. 4, § 141 Abs. 2 Nr. 1 StPO n.F. (s. Rz. 512).
Rz. 540
Die Rechtmäßigkeit einer durch eine Privatperson erfolgten vorläufigen Festnahme wird nur nach § 128 StPO geprüft. Im Falle der Erledigung einer durch die StA (FinB) oder Polizei (Steufa) erfolgten Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO entscheidet analog § 98 Abs. 2 StPO der mit der Sache befasste Richter. Dasselbe gilt auch dann, wenn es um die Art und Weise des Vollzugs geht.
Rz. 541
Nach § 127 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 163b, 163c StPO kann eine vorläufige Festnahme zur Identitätsfeststellung durch StA (FinB) und Polizei-/Fahndungsbeamte erfolgen. Ein derartiges Vorgehen wird im Steuerstrafverfahren ebenfalls nur bei Zollstraftaten im Grenzbereich von Bedeutung sein.
Rz. 542
Daneben gibt es noch die Festnahme bei Störungen der Amtstätigkeit gem. § 164 StPO (z.B. im Rahmen von Durchsuchungen).
Rz. 543– 548
Einstweilen frei.