Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 97
Gängige Praxis der Finanzverwaltung ist es mittlerweile, unter Beteiligung der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung "Kombiprüfungen" durchzuführen bzw. die Steuerfahndung als "Flankenschutz" der Betriebsprüfung heranzuziehen (s. auch Rz. 291, 1111, 1112). Dabei wird auf den Effekt der Überraschung und des Zufalls gesetzt. Die Aufgabe eines Flankenschutzfahnders ist es, unklare Sachverhalte zu ermitteln und aufzuklären – er wird auch als Sachverhaltsermittler bezeichnet. Allerdings ermittelt er verdachtsunabhängig. Die Finanzverwaltung hält dieses Prüfkonzept für rechtens. Steuerfahnder könnten auf Ersuchen des FA bereits im steuerlichen Ermittlungsverfahren tätig werden.
Rz. 98
Der Einsatz der "Flankenschützer" muss aber kritisch gesehen werden. Für ein derartiges Vorgehen bedarf es sowohl einer gesetzlichen Grundlage für die Zuständigkeit der Steufa im Besteuerungsverfahren als auch einer Ermächtigungsgrundlage zur Vornahme bestimmter Ermittlungen. Als Zuständigkeitsregelungen für den Flankenschutz werden die § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 1 AO angewandt. Eine Vermischung beider Verfahren ist jedoch ebenso unzulässig wie ein beliebiger Rollenwechsel der Fahndungsbeamten. Ebenso ist für die Wahl der Rechtsbehelfe und des Rechtsweges eine deutliche Unterscheidung wichtig. Flankenschutzfahnder dürfen keinesfalls ohne Durchsuchungsbeschluss – zusammen mit Finanzbeamten – Wohnungen betreten oder verdeckt ermitteln, wenn bereits der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat besteht.
Auch der BFH hat diese Grenzen für den Einsatz des Flankenschutzes durch die Steufa betont. Danach ist der Einsatz besonders begründungsbedürftig. Der BFH hat jedoch die Anordnung einer Außenprüfung bei Bestehen des Verdachts einer Steuerstraftat für zulässig erklärt. Zur Frage eines Verwertungsverbots s. Rz. 291, 1109, 1111, 1112.
Rz. 99
Darüber hinaus folgt aus der abschließenden Regelung des § 404 AO, dass weitergehende Befugnisse für die Steuer- und Zollfahndung nicht bestehen; insb. hat sie nicht die der selbständig ermittelnden FinB gem. § 399 Abs. 1 AO eingeräumten staatsanwaltschaftlichen Kompetenzen, ausgenommen das Recht auf Durchsicht der Papiere gem. § 404 Satz 2 AO, § 110 StPO.
Folgende Rechte stehen der Zoll- und Steuerfahndung daher nicht zu:
- Antragsrechte auf Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen (§ 162 StPO; s. Rz. 90);
- insb. kann der Antrag auf Erlass von Beschlagnahme- und Durchsuchungsbeschlüssen nicht von der Steufa-Stelle (auch nicht vom Leiter der Steufa in Vertretung für den Leiter der BuStra), sondern nur von der StA/BuStra gestellt werden (s. Rz. 90);
- eine zwangsweise Vorführung von Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen anzuordnen, da diese nicht verpflichtet sind, auf Ladung der Steufa zu erscheinen; Zeugen/Sachverständige sind daher auch nicht zur Aussage verpflichtet;
- das Recht, das Strafverfahren bis zur rechtskräftigen Klärung einer steuerlichen Vorfrage auszusetzen (§ 396 AO);
- die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte bei staatsanwaltschaftlichen oder polizeilichen Ermittlungen (§ 403 AO) oder im gerichtlichen Verfahren (§§ 406, 407 AO);
- Antragsrechte auf Erlass eines Strafbefehls oder auf selbständige Einziehung oder Festsetzung einer Unternehmensgeldbuße (§§ 400, 401 AO);
- die Rechte, das Verfahren einzustellen, von der Verfolgung abzusehen oder sie auf einzelne Tatteile zu beschränken (§ 170 Abs. 2, §§ 153 ff. StPO, § 398 AO).