Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 31
Aus § 385 Abs. 1 AO ergibt sich, dass das Steuerstrafverfahren – abgesehen von den Sonderregelungen der AO – ein normaler Strafprozess ist. Dieser gliedert sich entsprechend seiner Aufgabe, den staatlichen Strafanspruch festzustellen und im gegebenen Fall durchzusetzen, in
- das Erkenntnisverfahren, in dem ermittelt, geprüft und entschieden wird, ob ein bestimmter Sachverhalt vorliegt, der die Merkmale einer Straftat erfüllt, und wie die betreffende Tat ggf. zu ahnden ist;
- das Vollstreckungsverfahren, in dem es darum geht, die rechtskräftig erkannten Sanktionen gegen den Verurteilten durchzusetzen (§§ 449 ff. StPO). Vollstreckungsbehörde ist die StA (§ 451 Abs. 1 StPO). Ergänzende Bestimmungen enthalten die Strafvollstreckungsordnung und für die Vollstreckung von Geldstrafen nach § 459 StPO die Justizbeitreibungsordnung. Der Vollzug von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung ist im Strafvollzugsgesetz des Bundes und in den Landesstrafvollzugsgesetzen geregelt.
1. Erstinstanzliches ordentliches Erkenntnisverfahren
Rz. 32
Das im ordentlichen Verfahren (2.–4. Buch der StPO) durchgeführte erstinstanzliche Erkenntnisverfahren unterscheidet wiederum drei Abschnitte:
Das Strafverfahren wird eingeleitet mit dem Ermittlungsverfahren (§§ 158–177 StPO; §§ 397–405 AO), in dem die Strafverfolgungsbehörden (i.d.R. die StA, im Steuerstrafverfahren gem. § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO grds. die FinB) den Sachverhalt zu erforschen haben. Es endet entweder
- mit Erhebung der Klage durch die StA oder
- ggf. mit dem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls (den auch die FinB stellen kann, § 400 AO; zum weiteren Verfahrensablauf in diesem Fall s. die Übersicht § 400 Rz. 25) oder
- durch Einstellung des Verfahrens.
Im anschließenden Zwischenverfahren (§§ 199–211 StPO) entscheidet das Gericht darüber, ob die Anklage zuzulassen und das Hauptverfahren zu eröffnen ist oder nicht.
Im Hauptverfahren (§§ 213–275 StPO; §§ 406 f. AO), dessen wesentlicher Teil die Hauptverhandlung ist, prüft und entscheidet das Gericht auf der Grundlage der erhobenen Anklage, ob und wie der Angeklagte zu bestrafen ist.
Rz. 33
Je nach Verfahrensstand wird der Tatverdächtige unterschiedlich bezeichnet: im Ermittlungsverfahren als Beschuldigter, im Zwischenverfahren – also nach Erhebung der öffentlichen Klage (bzw. im Strafbefehlsantrag) – als Angeschuldigter, nach Eröffnung des Hauptverfahrens (bzw. im Strafbefehl) als Angeklagter (vgl. § 157 StPO).
2. Rechtsmittelverfahren
Rz. 34
An das erstinstanzliche Verfahren kann sich bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung ein Rechtsmittelverfahren (§§ 296–358 StPO) anschließen, in dem über Rechtsbehelfe gegen Urteile (Berufung, §§ 312–332 StPO; Revision, §§ 333–358 StPO) oder Beschlüsse und Verfügungen (Beschwerde, §§ 304 ff. StPO) entschieden wird.
3. Besondere Verfahrensarten
Rz. 35
Sonderregelungen gelten für das im Steuerstrafverfahren praktisch sehr bedeutsame Strafbefehlsverfahren (§§ 407–412 StPO; vgl. dazu die Erl. zu § 400) sowie für das Verfahren bei Einziehung und Vermögensbeschlagnahmen (§§ 421 ff. StPO; s. Rz. 451 ff. sowie § 375 Rz. 32 ff.; § 401 Rz. 11 ff.) und das Verfahren zur Festsetzung von Unternehmensgeldbußen (§ 444 StPO; s. § 401 Rz. 45 ff.).
Rz. 36– 40
Einstweilen frei.