Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1031
Die Durchsuchung eines Unternehmens soll rechtmäßig sein, wenn sich der Tatvorwurf gegen die Geschäftsführer der betroffenen GmbH richtet und diese im Übrigen die Straftat in ihrer Funktion als Organ einer Kapitalgesellschaft begangen haben. Dies dürfte aber bei der Hinterziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuer regelmäßig der Fall sein. Insoweit wird man einengend voraussetzen müssen, dass bei bloßem Teilnahmeverdacht gegen Organe oder Angestellte die Durchsuchung des Gesamtunternehmens gem. § 102 StPO unzulässig ist, sondern nur nach Maßgabe des § 103 StPO erfolgen kann. Eine umfassendere Durchsuchung des Unternehmens wird nur dann in Betracht kommen, wenn der Beschuldigte bei entsprechendem Verdacht der Hinterziehung zugunsten des Unternehmens auch Zugriff auf andere Unternehmensbereiche hat.
Rz. 1032
Das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 Nr. 2, 3 StPO (s. Rz. 336 f.) erstreckt sich bei einem Mandatsverhältnis zum Unternehmen nach Ansicht der Rspr. nicht auf dessen beschuldigten Organe. Ob Gleiches auch für selbst recherchiertes Material und Unterlagen (Interviews mit Mitarbeitern) im Rahmen sog. interner Ermittlungen gilt, ist strittig (näher dazu s. Rz. 958 ff., 1037 ff.).
Ein Beschlagnahmeschutz für das Unternehmen als juristische Person besteht jedoch beim Verdacht unternehmensbezogener Straftaten, wenn es die beschuldigtenähnliche Stellung eines Verfahrensbeteiligten gem. § 424 bzw. § 444 StPO innehat (s. § 401 Rz. 49, 86 ff.). Das folgt aus der Verweisung in § 428 Abs. 1 Satz 2 StPO auf die für die Verteidigung geltenden Vorschriften, in § 426 Abs. 1 StPO auf die Vernehmung des Beschuldigten sowie in § 427 Abs. 1 StPO auf die Rechte des Angeklagten in der Hauptverhandlung.
Der unternehmensinterne Schriftwechsel mit Syndikusanwälten ist aber beschlagnahmefähig (zu deren Beschlagnahmeprivileg s. aber Rz. 1008).
Rz. 1033
Grundlegende Änderungen in diesem Bereich werden sich durch die Reform des Unternehmenssanktionsrecht ergeben (s. dazu Rz. 960). Das vor der Verabschiedung stehende sog. Verbandssanktionengesetz (VerSanG-E) unter dem Titel „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft” sieht neben dem eigenständigem Sanktionsrecht für Unternehmen auch verfahrensrechtliche Regelungen vor, u.a. zur Klarstellung der Reichweite von Beschlagnahmeverboten vor, die durch Änderungen in der StPO erfolgen (s. dazu Rz. 1038 ff.).
Rz. 1033.1
Ein von Ermittlungen betroffenes Unternehmen erhält bereits mit Einleitung des Sanktionsverfahrens die Stellung eines Beschuldigten und hat die damit verbundenen Verfahrensrechte. Hierzu gehören insbesondere das Recht zu Schweigen für den gesetzlichen Vertreter des Unternehmens, auch wenn er selbst nicht Beschuldigter eines Strafverfahrens ist, aber auch die Rechte des Unternehmens auf rechtliches Gehör, zur Stellung von Beweisanträgen, zur Benennung von Zeugen und zur Einlegung von Rechtsbehelfen.
Rz. 1033.2
Das VerSanG sieht eine Reihe von Einstellungsvorschriften vor, nach denen von einer weiteren Verfolgung abgesehen werden kann, wenn die dort genannten Einstellungsgründe vorliegen (s. Rz. 1041.1, 1041.6). Sie ermöglichen insbesondere eine Berücksichtigung der Schwere des Tatvorwurfs, der Folgen, die das Unternehmen bereits getroffen haben, der Verfolgung im Ausland, einer möglichen Insolvenz sowie laufender verbandsinterner Untersuchungen. Ist beispielsweise die Bedeutung der begangenen Verbandstat gering, kann eine Einstellung erfolgen, wenn kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Ebenso ist eine Einstellung möglich, wenn durch eine Auflage (Leistung einer Wiedergutmachung oder Zahlung eines Geldbetrags an die Staatskasse) oder eine Weisung (z.B. die Anweisung, bestimmte Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten zu treffen) das öffentliche Interesse an der Verfolgung beseitigt werden kann.