Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 35
Nach § 387 Abs. 2 AO kann abweichend von der Grundregel des Abs. 1 bei Vorliegen bestimmter Zweckmäßigkeitserwägungen die sachliche Zuständigkeit zur Ermittlung von Steuerstraftaten durch Rechtsverordnung einer einzigen FinB für den Bereich mehrerer der grds. nach Abs. 1 zuständigen FinB übertragen werden, soweit dies mit Rücksicht auf die Wirtschafts- oder Verkehrsverhältnisse, den Aufbau der Verwaltungsbehörden oder andere örtliche Bedürfnisse zweckmäßig erscheint. Unter "mehreren" FinB ist bereits eine Anzahl von zwei Finanz- oder Zollamtsbereichen zu verstehen, die zu einer BuStra zusammengefasst werden können. Diese Zuständigkeitskonzentration dient dem Ziel der schlagkräftigeren Ermittlung von Steuerstraftaten.
Rz. 36
Auf dieser Rechtsgrundlage sind bei den FÄ und HZÄ sog. Straf- und Bußgeldsachenstellen (BuStra oder auch StraBu genannt) eingerichtet worden (s. näher § 385 Rz. 83; § 386 Rz. 38 sowie unten Rz. 51, 53). Davon zu unterscheiden sind die früheren sog. Gemeinsamen Strafsachenstellen, die nur unselbständige Untergliederungen derjenigen FÄ blieben, für die sie strafrechtliche Befugnisse ausübten.
Rz. 37
Die Errichtung einer Straf- und Bußgeldsachenstelle kann nur aufgrund einer Rechtsverordnung i.S.d. Art. 80 Abs. 1 GG erfolgen, da die Zuständigkeitsübertragung nicht nur behördenintern gilt, sondern nach außen gegen jedermann wirkt.
Rz. 38
Zuständig zum Erlass der Rechtsverordnung ist die Landesregierung, soweit die FinB eine Landesbehörde ist, ansonsten das BMF (§ 387 Abs. 2 Satz 2 AO). Die Übertragung der Verfolgungszuständigkeit auf ein FA für den Bereich mehrerer FÄ obliegt somit der Landesregierung. Diese kann wiederum die Ermächtigung zum Erlass der Rechtsverordnung auf die für die Finanzverwaltung zuständige oberste Landesbehörde (in NRW der FinMin., vgl. § 6 Nr. 1 AO i.V.m. §§ 3, 4 LOG NW) übertragen (§ 387 Abs. 2 Satz 4 AO).
Rz. 39
Dagegen ist das BMF für die Zuständigkeitsübertragung auf ein HZA von mehreren HZÄ zuständig. Die Rechtsverordnung des BMF bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates (§ 387 Abs. 2 Satz 3 AO). Auch das BMF kann die Ermächtigung zum Erlass der Rechtsverordnung auf eine Bundesoberbehörde übertragen (§ 387 Abs. 2 Satz 4 AO).
Rz. 40
Durch die Zuständigkeitskonzentration auf eine von mehreren FinB sind nicht mehr die Vorsteher der einzelnen angeschlossenen FÄ bzw. der HZÄ Herr des strafrechtlichen Ermittlungs- bzw. Bußgeldverfahrens (vgl. § 399 Abs. 1 AO). Dies ist allein der Vorsteher des zentralen FA bzw. des zentralen HZA. Diese aufgabenrechtliche Personalunion von BuStra (= Staatsanwalt) und Steufa (= Polizist) ist kritisch zu sehen (s. auch Rz. 55 sowie näher § 399 Rz. 41, 680; § 404 Rz. 63).
Rz. 41
Die angeschlossenen FinB haben nur eine Stellung "zweiter Hand" bzw. eine sog. Notzuständigkeit. Gemäß § 399 Abs. 2 Satz 1 AO bleiben das Recht und die Pflicht dieser FinB unberührt, bei Verdacht einer Steuerstraftat den Sachverhalt zu erforschen und alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung zu verhüten (Recht des ersten Zugriffs, § 163 Abs. 1 StPO; zu diesen allgemein polizeilichen Befugnissen s. § 385 Rz. 73; § 402 Rz. 8).
Ihre Beamten haben zudem die Rechte und Pflichten von Ermittlungspersonen der StA mit besonderen Zwangsbefugnissen, d.h. sie können bei Gefahr im Verzug (zum Begriff s. § 385 Rz. 235 f.) Beschlagnahmen, Durchsuchungen und sonstige Eilmaßnahmen anordnen (vgl. § 399 Abs. 2 Satz 2 AO, s. § 399 Rz. 61 ff.; § 385 Rz. 73 f., 76, 232 ff.). Die Konzentration bei der Verfolgung von Steuerstraftaten durch die Zuständigkeit der BuStra wird daher durch § 399 Abs. 2 AO wieder etwas eingeschränkt. Allerdings hat diese Regelung kaum Praxisrelevanz.
Rz. 42– 43
Einstweilen frei.