Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 73
Zuständigkeitsmängel der FinB können im Ermittlungsverfahren oder bei der Teilnahme am gerichtlichen Verfahren (§ 407 AO) auftreten.
Rz. 74
Ermittlungshandlungen einer örtlich unzuständigen FinB sind grds. nicht unwirksam, auch wenn sie nach Maßgabe des Verfahrensrechts korrekturbedürftig sind. Das folgt aus dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass Handlungen einer zwar sachlich, aber nicht örtlich zuständigen Behörde nicht von selbst unwirksam sind. Dies kommt z.B. auch in § 20 StPO, § 7 FGG (Untersuchungshandlungen eines örtlich unzuständigen Gerichts), § 125 Abs. 3 Nr. 1, § 127 AO (Nichtbeachtung der örtlichen Zuständigkeit bei steuerlichem Verwaltungsakt), § 70 FGO i.V.m. §§ 17–17b GVG (Klageerhebung beim unzuständigen Gericht) sowie in § 44 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG (keine Nichtigkeit eines Verwaltungsakts bei fehlender örtlicher Zuständigkeit) zum Ausdruck.
Beispiel
Die FinB Y hat dem Beschuldigten B die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung bekannt gegeben, kurz bevor diese Tat verjährt gewesen wäre. Gemäß § 388 AO örtlich zuständig wäre in der Sache aber die FinB Z gewesen, die erst nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist die Ermittlungen übernimmt. Durch die rechtzeitige Einleitung und Bekanntgabe des Strafverfahrens gem. § 397 AO durch die FinB Y ist die Verjährung wirksam unterbrochen worden (§ 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB; s. § 376 Rz. 133, 147, 150).
Rz. 75
Beispiel
Wie Beispiel in Rz. 74. Die unzuständige FinB Y hat bereits umfangreiches Beweismaterial gegen B gesammelt. Diese Beweismittel können im späteren Verfahren von der FinB Z, ggf. der StA und dem Gericht verwertet werden.
Rz. 76
Ausnahmsweise kann eine Ermittlungshandlung der FinB aber auch unwirksam sein, z.B. bei willkürlicher Missachtung der sachlich/örtlichen Zuständigkeit (s. auch § 391 Rz. 99). Dies führt dann in der Folge auch zur Unverwertbarkeit der erlangten Beweismittel (zur vergleichbaren Situation bei bewusster Missachtung des Richtervorbehalts s. § 385 Rz. 1150 ff.).
Rz. 77
Die örtliche Zuständigkeit kann z.B. auch fehlen bei der Beantragung eines Beschlagnahme- oder Durchsuchungsbeschlusses oder eines Strafbefehls (§ 400 AO) bei Gericht. Erkennt dies der Richter, muss er den Antrag zurückweisen; im Fall des Nichterkennens ist die Anordnung bzw. der Strafbefehl gleichwohl wirksam (s. auch § 387 Rz. 65).
Rz. 78
Eine – selbstverständlich dennoch mögliche – Rüge der örtlichen Unzuständigkeit kann wegen des Erfordernisses einer Beschwer nur solange Erfolg haben, wie die unzuständige FinB mit der Sache befasst ist, also bis zum Erlass eines Strafbefehls oder bis zur Abgabe der Sache an die StA. Hat der Strafrichter auf Antrag der örtlich unzuständigen FinB einen Strafbefehl erlassen, so geht die Verfahrensherrschaft im anschließenden gerichtlichen Verfahren auf die StA über (s. § 400 Rz. 152). Eine Rüge der örtlichen Unzuständigkeit der FinB müsste dementsprechend für alle Abschnitte des gerichtlichen Strafverfahrens als gegenstandslos zurückgewiesen werden.
Rz. 79
Beamte der örtlich zuständigen FinB i.S.d. § 388 AO können – ebenso wie die StA – Amtshandlungen auch im Bezirk einer anderen FinB vornehmen (s. Rz. 3). Erst mit der Eröffnung des Hauptverfahrens geht die Verfahrensherrschaft auf die StA bei dem Gericht über, bei dem eröffnet wurde (s. auch § 391 Rz. 78).