Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Schrifttum:
Buse, Zuständigkeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zur Verfolgung von Steuerstraftaten, AO-StB 2007, 80; Köhler/Brockmann, Überblick über das JStG 2007 – Umfangreiche Änderungen quer durch das Steuerrecht, NWB 2006, 4273; Olgemöller, Zuständigkeitsfolgen bei (Wohn-)Sitzverlegung, Stbg 2008, 68; Tormöhlen/Klepsch, Besteuerungsdefizite durch Zuständigkeitskonflikte, DStZ 2005, 221; von Wedelstädt, Die Änderungen und Ergänzungen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung durch das BMF-Schreiben vom 16.1.2006, DB 2006, 242; Wenzler, Zur Zuständigkeit des Hauptzollamts nach § 23 Abs. 3 AO, AO-StB 2008, 222.
Rz. 40
Nach dieser Vorschrift ist auch diejenige FinB für die Strafverfolgung örtlich zuständig, die zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens "für die Abgabenangelegenheiten" zuständig ist. Diese Zuständigkeitsvariante knüpft damit an steuerliche Begriffsbestimmungen an.
Der Begriff der "Abgabenangelegenheiten" ist in § 347 Abs. 2 AO geregelt:
(2) Abgabenangelegenheiten sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.
Vgl. auch für den Finanzrechtsweg § 33 Abs. 2 Satz 1 FGO.
Rz. 41
Der Begriff reicht weiter als die bloße Verwaltung der Steuern (s. § 387 Rz. 6, 7). Erfasst wird dadurch auch die Zuständigkeit für Bannbruch gem. § 372 AO und Monopolverstöße.
Rz. 42
Durch § 388 Abs. 1 Nr. 2 AO soll erreicht werden, dass die im Einzelfall mit dem Besteuerungsverfahren befasste FinB auch das Strafverfahren durchführen kann. In den Gesetzesmaterialien findet sich keine Begründung dafür, warum § 388 Abs. 1 Nr. 2 AO von "Abgabenangelegenheiten" spricht, während in § 423 Abs. 1 Nr. 2 RAO insoweit noch der Singular gebraucht wurde. Eine sachliche Änderung ist hiermit jedoch nicht verbunden, d.h. es genügt, wenn die FinB für eine oder mehrere Angelegenheiten zuständig ist.
Rz. 43
Abgabenrechtlich zuständig ist nur die FinB, die nach der AO sachlich und örtlich zuständig ist. Die sachliche Zuständigkeit der FinB für die Verwaltung von Abgaben richtet sich gem. § 16 AO nach dem FVG (s. ausführlich § 387 Rz. 8 ff.); die örtliche Zuständigkeit ist gem. § 17 AO für die Hauptsteuerarten in den §§ 18–29a AO (s. Rz. 45 ff.), für die Lohnsteuer in § 41a Abs. 1 bzw. § 39 Abs. 2 EStG (s. Rz. 47) und bei der Erbschaftsteuer und den Verkehrsteuern in den jeweiligen Einzelsteuergesetzen geregelt (vgl. z.B. § 35 ErbStG, § 17 Abs. 1–3 GrEStG, § 1 KraftStDV, §§ 2 und 20 KVStDV, § 7a VersStG, § 10 FeuerschStG sowie §§ 15 und 30 RennwLottGABest).
Rz. 44
Im Einzelnen ergibt sich aus den §§ 18 ff. AO Folgendes:
Rz. 45
Bei gesonderten Feststellungen nach § 180 AO und den Steuern auf Einkommen und Vermögen knüpft die örtliche Zuständigkeit gem. §§ 18–22a AO an die Belegenheit von Objekten (Lage-FA), bei Unternehmen an den Sitz der Geschäftsleitung oder eines Unternehmens oder einer Betriebsstätte (Betriebs-FA), bei natürlichen Personen an den Ort der (überwiegenden) Berufsausübung oder Tätigkeit, den Wohnsitz oder den gewöhnlichen oder überwiegenden Aufenthaltsort an (Wohnsitz-FA).
Rz. 45.1
Bei § 388 Abs. 1 Nr. 2 AO gilt für den Wohnsitz nicht der Wohnsitzbegriff des BGB (s. aber Rz. 58 ff.), sondern der steuerrechtliche Begriff nach §§ 8, 9 AO. Daher kommt es insofern nicht auf den rechtsgeschäftlichen Willen, sondern auf die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse an. Unter Wohnung im Sinne der Abgabenordnung versteht die ständige Finanz-Rspr. einen Raum oder eine Zusammenfassung von Räumen, die das Führen eines selbständigen Haushalts ermöglichen.
Rz. 45.2
Der gewöhnliche Aufenthalt im allgemein-steuerrechtlichen Sinne erfordert einen längeren, allerdings nicht ständigen Aufenthalt, kurzfristige Unterbrechungen schaden hier nach § 9 Satz 2 Halbs. 2 AO nicht. Bei Grenzgängern kommt es für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts auf die Intensität des Verweilens im jeweiligen Land an. Einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet nicht, wer als Unternehmer nach Geschäftsschluss regelmäßig von seinem Betrieb in der Bundesrepublik zu seiner Familienwohnung ins Ausland zurückfährt.
Rz. 45.3
Zur Ermächtigung des BMF zum Erlass einer VO zur Regelung örtlicher Zuständigkeit bzgl. im Ausland ansässiger, nach dem Alterseinkünftegesetz zu veranlagender Personen vgl. § 19 Abs. 6 AO.
Rz. 46
§ 21 AO Umsatzsteuer
(1) Für die Umsatzsteuer mit Ausnahme der Einfuhrumsatzsteuer ist das Finanzamt zuständig, von dessen Bezirk aus der Unternehmer sein Unternehmen im Geltungsbereich des Gesetzes ganz oder vorwiegend betr...