Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 61
Das Gesetz begnügt sich mit einer allgemeinen Verweisung auf § 328 AO. Als Zwangsmittel für die Durchsetzung von Verwaltungsakten, die auf Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet sind, nennt § 328 AO das Zwangsgeld (§ 329 AO), die Ersatzvornahme (§ 330 AO) und den unmittelbaren Zwang (§ 331 AO). Erfasst ist außer den in § 328 genannten Zwangsmitteln auch deren schriftliche Androhung nach § 332 AO.
Umstritten ist, ob der Katalog der Zwangsmittel in § 328 AO abschließend ist (s. dazu Rz. 64 ff.).
Rz. 62
Unzweifelhaft steht im Rahmen des Besteuerungsverfahrens die Erzwingung von solchen Handlungen im Vordergrund, die mit der Abgabe und dem Inhalt der Steuererklärung in Zusammenhang stehen (z.B. Ergänzungen der Erklärung, Angabe der Höhe des Wareneingangs, Vermögensaufstellungen zur Ermittlung des Einheitswerts). Die Erzwingung von Unterlassungen spielt allgemein und schon gar nicht in dem hier interessierenden Zusammenhang eine nennenswerte Rolle. Zu Duldungspflichten s. Rz. 66.
Rz. 63
Kritisch ist in diesem Zusammenhang eine neue BFH-Entscheidung zum Erzwingungsverbot (im nachst. Beispiel) anzusehen. Danach scheidet die Gefahr der Selbstbelastung trotz Festsetzung eines Zwangsgeldes aus, wenn dem Stpfl. noch eine strafbefreiende Selbstanzeige offensteht.
Beispiel
nach BFH: StA und Steufa waren im Zuge ihrer Ermittlungen über Kundenbeziehungen deutscher Kapitalanleger zu Schweizer Vermögensverwaltungsgesellschaften auf den Kläger gestoßen, der als Kunde der X-AG geführt wurde. Das FA forderte den Kläger daraufhin auf, die entsprechenden Konto- und Depotauszüge einzureichen. Auf die Mitteilung des Klägers, er könne über nicht bestehende Geschäftsbeziehungen keine Bescheinigungen vorlegen, drohte das FA die Festsetzung eines Zwangsgeldes i.H.v. 400 EUR an und setzte nach ergebnislosem Ablauf der für die Vorlage der Bescheinigungen gesetzten Frist das Zwangsgeld fest.
Das FG urteilte, entgegen der Auffassung des Klägers greife das Zwangsmittelverbot nach § 393 Abs. 1 Satz 2 AO wegen der Gefahr der Selbstbelastung nicht. Die Steufa habe keine steuerstrafrechtlichen Ermittlungen geführt, sondern sei zur Ermittlung unbekannter Fälle nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO tätig geworden. Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand bestehe noch kein Anfangsverdacht für Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten. Wie sich aus dem Begriff "belasten" i.S.d. § 393 Abs. 1 Satz 2 AO ergebe, seien steuerliche Zwangsmittel im Zusammenhang mit straflosen Vorbereitungshandlungen zulässig. Dem Kläger verbleibe die Möglichkeit der Selbstanzeige. Die Anforderung der Unterlagen sei auch weiterhin gerechtfertigt, da das Schreiben der X-AG nicht den Ermittlungszeitraum betreffe.
Nach erfolgloser Klage machte der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend, ob der Einsatz von Zwangsmitteln zur Beschaffung ihm nicht vorliegender Unterlagen rechtens sei, obwohl das FA berechtigt gewesen sei, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Insbesondere würden die Grenzen zwischen steuerlichen und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren verwischt und die Norm des § 393 AO ad absurdum geführt.
Der BFH wies die Klage als unbegründet zurück. Die Steuerschätzung sei keine Alternative zur Beschaffung der Unterlagen gewesen, da die Anforderung der Unterlagen zunächst der Ermittlung gedient hätte, ob überhaupt ein steuerbarer Sachverhalt vorliege. Das FG habe zu Recht die Voraussetzungen des Erzwingungsverbotes des § 393 Abs. 1 Satz 2 AO verneint. Die Regelung verbiete die Anwendung von Zwangsmitteln nicht nur im Strafverfahren, sondern bereits im Besteuerungsverfahren. Unbeschadet der Frage, ob § 393 Abs. 1 Satz 2 AO bei Vorfeldermittlungen i.S.d. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO überhaupt anwendbar sei, liege eine erzwungene Selbstbezichtigung nicht vor. Der Stpfl. habe es in der Hand gehabt, die Strafverfolgung durch eine Selbstanzeige zu verhindern. Die Steufa habe zu dem Zeitpunkt, als sie die die Mitwirkung forderte, noch keinen Tatverdacht gehabt, so dass diese Möglichkeit noch offenstand (krit. zu dieser Argumentation s. Rz. 73).