Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
1. Erkenntnisse aus rechtmäßigen strafrechtlichen Ermittlungen (§ 393 Abs. 3 Satz 1 AO)
Rz. 265
Die Erkenntnisse i.S.d. § 393 Abs. 3 Satz 1 AO müssen aus rechtmäßigen strafrechtlichen Ermittlungen der FinB/StA resultieren. Das lässt den Umkehrschluss zu, dass Erkenntnisse aus unrechtmäßigen Ermittlungen – neben einem strafprozessualen Beweisverwertungsverbot (s. dazu die Einzelfälle in § 385 Rz. 1045 ff.) – (auch) einem steuerlichen Verwendungsverbot unterliegen (etwa bei unterlassener Belehrung über das Schweigerecht nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Für eine solche Auslegung im Sinne einer "radikalen Nichtverwertbarkeit" von rechtswidrig gewonnenen strafprozessualen Erkenntnissen spricht sich eine Ansicht in der Literatur aus. Diese – vielleicht vom Gesetzgeber unbedachte – weitreichende Folge entspricht allerdings nicht der höchstrichterlichen Rspr. (s. nur Rz. 158 ff., 166 ff.). Allenfalls bei Verletzung eines verfassungsrechtlich geschützten Bereiches des Stpfl. ist nach BVerfG und BFH eine steuerliche Verwendbarkeit ausgeschlossen, dagegen offengelassen bei Verstößen gegen § 136a StPO im Wege der bewussten Täuschung (s. Rz. 167 f.). Eine rechtswidrige Beschlagnahme von Unterlagen ist jedoch keine grundrechtswidrige Aufklärungsmaßmahme (s. Rz. 265.1); ebenso wenig wie eine Durchsuchung aufgrund einer von einer FinB entgeltlich erworbenen Steuerdaten-CD mit illegal beschafftem Datenmaterial.
Da im Übrigen nur die wenigsten Beweisverwertungsverbote nach der Rspr. Fernwirkung entfalten (s. Rz. 175 ff.), können auch mittelbare (Folge-)Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden rechtmäßig im Sinne dieser Vorschrift sein (s. auch § 385 Rz. 417 ff. m.w.N.).
Rz. 265.1
So führt nach der Rspr. des BFH ein rechtswidriger Durchsuchungsbeschluss nur dann zu einem Beweisverwertungsverbot im Besteuerungsverfahren, das auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden kann, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahmen führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden.
Rz. 266
Verwendbar sind nicht nur Erkenntnisse betr. den Beschuldigten im befangenen Steuerstrafverfahren, sondern auch Zufallsfunde oder andere in dem Verfahren bekannt gewordene steuerrelevanten Vorgänge gegen andere Stpfl.
2. Erkenntnisse aus Telekommunikationsüberwachungen (§ 393 Abs. 3 Satz 2 AO)
a) Gesetzesalternativen
Rz. 267
§ 393 Abs. 3 Satz 2 AO betrifft Erkenntnisse, die dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) unterliegen. Die Regelung enthält speziell eine steuerliche Verwendungsbefugnis bei Telekommunikationsüberwachungen.
Zulässig ist danach die Verwertung
- eigener Erkenntnisse der FinB aus einer TKÜ im (Steuer-)Strafverfahren gem. §§ 100a StPO (Alt. 1), s. Rz. 270 ff., oder
- von Informationen aufgrund berechtigter Auskunftserteilung an die FinB nach der StPO durch die Strafjustiz (Alt. 2), s. Rz. 282,
im anschließenden Besteuerungsverfahren.
Rz. 268– 269
Einstweilen frei.
b) Erkenntnisse aus TKÜ (Alt. 1)
aa) TKÜ wegen schwerer Steuerdelikte
Rz. 270
Eine TKÜ im Fall einer Steuerhinterziehung aufgrund eigener Ermittlungen der FinB war bislang gem. § 100a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a StPO a.F. nur zulässig, wenn die Steuerhinterziehung "unter den in § 370 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 genannten Voraussetzungen" begangen wurde (also bei bandenmäßiger Hinterziehung von Umsatz- oder Verbrauchssteuern). Mit Wirkung vom 1.7.2021 erfasst § 100a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a StPO n.F. (eingeführt angesichts der Cum-ex-Geschäfte, s. § 370 Rz. 1750 ff.) nunmehr auch bandenmäßige Steuerhinterziehungen sämtlicher Steuerarten (z.B. Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer) in großem Ausmaß gem. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO. Des Weiteren ist eine TKÜ auch zulässig bei schwerem Schmuggel und gewerbs- oder band...